Auf der Suche nach dem Lebensglück

Der Jugendclub 1 des Bonner Theaters geht auf Entdeckungsreise ins Fundbüro

Bonn. Wer verlorene Gegenstände für ersetzbar hält, wurde im Lampenlager eines Besseren belehrt. "Jedes Ding hat seine eigene Geschichte", weiß der Fundbüromann Ben Fundmann (Ben Wulf), doch seine Feststellung "Heute ist nichts los" erweist sich bald als Irrtum. Das Fundbüro entpuppt sich als eine eigene Welt für sich, so alltäglich und doch so sonderbar.

Schon Siegfried Lenz hatte in seinem jüngsten Roman das Fundbüro als Mikrokosmos des Lebens entdeckt, in dem sich menschliche Schicksale widerspiegeln wie an keinem anderen Ort. Nun hat sich auch der Jugendclub 1 von Theater Bonn auf Entdeckungsreise ins Fundbüro begeben. Mit dem Episodenstück "Mein Fundbüro" gaben die acht jungen Akteure ihr Bühnendebüt im Lampenlager.

Was vor sieben Monaten als Workshop begann, hat sich nach intensiver Probenarbeit zur Eigenproduktion entwickelt. Unter Anleitung von Donatha Teichert und Stefan Preiss improvisierten die Spieler zum Thema "Fundbüro", bis Stefan Preiss schließlich die Stückfassung schrieb, die mit Lenz'' Geschichte allerdings lediglich die literarische Großmetapher des Fundbüros gemeinsam hat.

In Fundmanns Fundbüro begegnen sich die verschiedensten Menschen, die etwas gefunden oder verloren haben und über ihre Fundsachen ihr Lebensglück suchen. Zum Beispiel das hysterische, linkshändige Mädchen Ypsilon (Hannah Wiemer), das Fundmann ihre Leidensgeschichte aufdrängt: Seit sie zur Rechtshänderin umgepolt wurde, habe sie keine Kontrolle mehr über die eigenwillige rechte Hand, die fremden Menschen Gegenstände entwendet.

Das schlechte Gewissen treibt die Kleptomanin regelmäßig ins Fundbüro, um die gestohlenen Dinge zurückzubringen. Oder Oswald Eppendorf (Björn Syndicus), der Verwalter seines eigenen Lebens, der mit seinem verlorenen Tagebuch auch seine Vergangenheit verloren glaubt.

Hinter allen Figuren verbirgt sich ein buntes Panoptikum menschlicher Leidenschaften und Neurosen, und jede Episode lässt den Spielern genügend Raum, persönliche Stärken auszureizen. So liefert sich die Sekretärin Nadine Komparski (Mirjam Kappes) heiße Wortgefechte mit ihrem Verehrer Gustavo (Moritz Bürkner), Fundmann mimt im stummen Körperspiel die willenlose Spielfigur der geheimnisvollen Anna (Eva Maria Sommersberg), und Eppendorf steigert seine Freude über das wiedergefundene Tagebuch zur pathetischen Predigt.

Die Gespräche schwanken zwischen Küchenphilosophie á la "Für mich ist der Augenblick ein Ei, das noch ausgebrütet werden muss" und tiefergreifenden Sinnfragen. So wird das Verlieren auch auf zwischenmenschlicher Ebene thematisiert: Fundmann und Anna haben sich nach einem kurzen Moment des Liebesglücks wieder verloren, und Komparski vermisst den aufdringlichen Gustavo erst, als er verschwunden ist.

90 Minuten lang gelingt es den Spielern bei ihrem ersten Auftritt, die frische Spielfreude durchzuhalten. Aufgrund der großen Nachfrage sollen noch weitere Aufführungen des "Fundbüros" terminiert werden.

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