Auf der Suche nach der Zähheit

"Spiele ohne Grenzen" im Endenicher Theater im Ballsaal

Bonn. "Zäh", was ist das überhaupt? Diese Frage stellt sich der österreichische Choreograph Helge Letonja im Rahmen des Internationalen Theater- und Tanzfestivals "Spiele ohne Grenzen" im Theater im Ballsaal. Und er bietet den Zuschauern mit seiner gleichnamigen Tanztheater-Produktion zwar einen bunten Strauß an Interpretationen, aber die finale Antwort bleibt er schuldig. Kein Wunder, denn die gibt es auch nicht, wie die vierköpfige Tanzformation "steptext dance project" aus Bremen eindrucksvoll beweist.

Zäh kann gut oder schlecht sein. Die Liste der Übersetzungen für das Wort aus drei Buchstaben scheint schier endlos. Es steht für die Penetranz, mit der die geschäftstüchtige Immobilienmaklerin ihre Wohnung an den Kunden bringt. Aber es ist zugleich auch eine Tugend, wenn ein ausdauernden Boxer nicht aufgibt und nur schwer zu besiegen ist.

Eine Ehe kann zäh sein wie Gummi, aber um Liebeskummer zu überwinden, braucht es dagegen viel Zähigkeit. Der Choreograph spielt gekonnt mit dem Begriff, und das mit einer gehörigen Portion Humor und Selbstironie.

Und auch die Zuschauer werden von Letonja gezwungen, Zähheit zu ertragen. Endlos lange Minuten vergehen, in denen ein Tänzer ein Glas an einer Schnur mit seinem Zeh Stück für Stück zu sich heranzieht. Beinahe unerträglich zäh ist auch das verbale Eindreschen der Darsteller auf das Publikum, bei dem sie ihm in verschiedenen Sprachen unverständliche Worte wild durcheinander entgegenbrüllen.

Doch neben dem eindeutig Zähen lässt der Choreograph den Zuschauern auch ausreichend Platz für eigene Ideen und Interpretationen. Insbesondere bei den spannungsgeladenen und dynamischen Tanzeinlagen, zum Teil getragen von atmosphärischer Musik, wie aus dem Film "Requiem For A Dream", verselbstständigen sich die Gedanken, um auf die Suche nach dem Zähen zu gehen.

Letonja bietet eine gelungene Aufführung mit ausdrucksstarken Tänzern und anregenden Bildern, die abwechslungsreich sowie originell, und damit alles andere als zäh ist. Er gibt Antworten und wirft Fragen auf. Und er zeigt, dass niemand der Zähheit im Leben entgehen kann. Was sie jedoch genau bedeutet, muss letztlich jeder für sich selbst entscheiden.

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