Erinnerung an ersten Weltkrieg Auf einmal stand die Welt in Flammen

BAD HONNEF · "Die Grenzgänger" sind gewissermaßen die Trüffelschweine unter den deutschen Liedermachern. Das Viergespann aus Bremen macht es sich zur Aufgabe, immer wieder aufs Neue verschollene Lieder aufzuspüren und durch eigene Bearbeitung in ein modernes Gewand zu kleiden.

 Mitreißend: "Die Grenzgänger" im Feuerschlösschen.

Mitreißend: "Die Grenzgänger" im Feuerschlösschen.

Foto: Frank Homann

Anlässlich des 100. Jahrestages der "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" beleuchtet ihr aktuelles Projekt "Maikäfer, flieg" alle Facetten des Ersten Weltkriegs - allen voran die persönlichen Erfahrungen der Menschen, die während dieser vier Höllenjahre hungern, hoffen, bangen und sterben mussten. Im Rahmen ihrer Tournee machten die vier Musiker auch im Feuerschlösschen Halt und boten sowohl erstklassige Unterhaltung als auch einen mahnenden Rückblick auf die Vergangenheit.

Zur Zeit des Krieges war es gang und gäbe, selbstverfasste Gedichte und Lieder in Zeitungen und Zeitschriften abdrucken zu lassen. Über 300 000 Stücke schlummern im Freiburger Volksliedarchiv, wo "Die Grenzgänger" aufwändig recherchierten; bekannt sind davon höchstens noch 40. Kaum etwas spiegelt jedoch die Historie des Krieges mit so viel Menschennähe wider wie etwa die Zeilen, die ein junger Soldat seiner Mutter aus dem Schützengraben schreibt oder solche, mit denen eine Lehrerin ihren Schülerinnen den Hunger vergessen machen will. Das ist der Anspruch, den die vier Bremer an ihr Programm haben: Es soll unterhalten. Es soll historisch sein. Und vor allem voller Menschlichkeit von vergangenen Zeiten berichten.

Diese Mixtur gelang mit Bravour: Voll Charme, Elan und Virtuosität riss das Viergespann sein Publikum mit. Während Michael Zachcial mit warmem, eindringlichem Gesang fesselte, sorgten Frederic Drobnjak, Annette Rettich und Felix Kroll an Konzertgitarre, Cello und Akkordeon für echte Gänsehaut. Mal wild und ungestüm, mal flink und verspielt, mal bedrückt und melancholisch präsentierten sie ein berührendes Wechselbad der Gefühle. Doch so hochkarätig die Darbietung der Vier auch war, bloß dazusitzen und zu träumen, war unmöglich.

Zu beklemmend waren die Momente, wenn Zachcial etwa als kriegsbegeisterter Junge seinen blinden Nationalstolz hinaus in die Welt sang, untermalt vom gespenstischen Klangteppich aus Dramatik, Sehnsucht und Euphorie: "Lass mich geh'n, Mutter, all dein Weinen wird nichts nützen, ich gehe das Vaterland beschützen! Deutschland soll leben, auch wenn wir sterben müssen!"

Das Publikum sog die Musik förmlich in sich auf. Spaß war garantiert ("Hindenburg, der Russenschreck"), doch es blieb stets ein banger Beigeschmack. Die Liedtexte handelten nicht von folktypischen Themen wie Liebe und Heimat, sondern vom Alltag der zurückgebliebenen Frauen und Kinder, von der Todesangst in den Schützengräben, vom Versuch, sich einen Reim zu machen auf eine Welt, die auf einmal in Flammen aufging. Passend dazu das Schlusswort der Musiker, die Botschaft ihres Konzerts: "Wer sich der Geschichte nicht erinnert, ist verdammt, sie zu wiederholen. Lassen wir es nicht dazu kommen, dass solch grausame Jahren erneut geschehen."

Das Konzert wurde vom WDR-Radio mitgeschnitten. Die Ausstrahlung ist für Montag, 14. Juli, ab 20.05 Uhr auf WDR 3 geplant.

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