Neue Ausstellung in Bonn Aufrechte Kunst

Bonn · Die Gesellschaft für Kunst und Gestaltung zeigt in einer spannenden Schau Aspekte des Vertikalen.

Es kann sehr lohnend sein, ab und zu über Begriffe und Phänomene nachzudenken, die im Alltag ganz selbstverständlich unsere Vorstellung von der Welt prägen. Aus gegebenem Anlass heißt in diesem Fall das Thema „Vertikal“ und die nötigen inhaltlichen Anstöße liefert die gleichnamige Ausstellung in der Gesellschaft für Kunst und Gestaltung.

Kuratorin Susannah Cremer-Bermbach zeigt Werke von sieben Künstlern, die mit unterschiedlichen Aspekten des Vertikalen spielen. Was sie letztlich verbindet, sind die gegenläufigen und deshalb spannungsgeladenen Eigenschaften der Vertikalität. Sie ist immer beides – oben und unten, aufstrebend und in der Schwerkraft verhaftet. Besser könnte dies nicht gezeigt werden als von Lutz Fritsch und seiner Arbeit „Standort Mitte“, jener 50 Meter hohen, roten Stahlstelle am Bonner Verteilerkreuz, zu der ein Pendant 22,5 Kilometer weiter in Köln gehört. Markant in der Farbe weist sie mit einer schlanken Eleganz in den Himmel und gibt sich dennoch höchst bodenständig. In der Ausstellung zeigt Lutz Fritsch unter anderem ein „Parameter for a good day“, der augenzwinkernd auf unser Bedürfnis verweist, die Welt permanent zu vermessen.

Dieser Ansatz trifft auch auf Stefan Papco zu, der sich mit dem Bergsteigen als vertikaler Extremerfahrung befasst. Für die Wandarbeit „Ninth Wave“ nahm er topografische Karten für Bergsteiger mit eingezeichneten Höhenlinien, Felszeichnungen und Routen und abstrahierte sie zum dreidimensionalen Objekt, das wiederum an der vertikalen Wand seine Verankerung findet. Das künstlerische Interesse von Marina Herrmann richtet sich vor allem auf Hochhäuser und Sendetürme, die gebaute Variante der Vertikalität. Ihre Großbilddias von Türmen in São Paulo, Paris, New York oder Johannisburg verarbeitet sie zu Acrylobjekten oder Bannern, auf denen farbige Lichtreflexe und Spiegelungen unterschiedliche Stimmungen verdichten. Wie Türme, wenngleich sie gerade einmal bis zur Decke des Ausstellungsraumes reichen, wirken die Konstruktionen aus Gymnastikreifen von Alice Musiol. Ein Kreismodul wird hier mit seinesgleichen und ohne fremde Hilfe zur konstruktiven Einheit, in der die serielle Fortführung nach oben angelegt ist. Das ist leicht und spielerisch, aber zugleich fragil und lässt die Frage offen, wie hoch diese Konstruktion praktisch weitergeführt werden könnte.

Sicher gehört auch die auf Papier gezeichnete senkrechte Linie in eine Ausstellung mit dem Titel „Vertikal“. Die stark reduzierten linearen Setzungen von Arjan Janssen übersetzen Gedanken und Stimmungen in vertikale Bewegungsabläufe. Absichtsvoll hinterlassene Arbeitsspuren bezeugen die menschengemachte Linie zwischen Erde und Kosmos.

Gesellschaft für Kunst und Gestaltung, Hochstadenring 22; bis 17. Juni, Mi-Fr 15-18, Sa 14-17, So 11-17 Uhr. Am 23. Mai Exkursion zum Verteilerkreis mit Lutz Fritsch; Treffpunkt 18 Uhr an der gkg. Finissage mit Vortrag zum Thema „Vertikal“ am 17. Juni um 11.30 Uhr.

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