Packende Strawinski-Aufnahme des Beethoven Orchesters Aus den Tiefen der Zeiten

Beethoven Orchester legt eine packende Aufnahme von Igor Strawinskys "Sacre" vor

 Stefan Blunier und das Beethoven Orchester in Aktion.

Stefan Blunier und das Beethoven Orchester in Aktion.

Foto: von Hagen

Dass die Uraufführung des Balletts "Le Sacre du Printemps" am 29. Mai 1913 im Pariser Théâtre des Champs-Elysées ein Jahrhundert-Skandal werden sollte, war bei dem Treffen des Komponisten Igor Strawinsky und seines Kollegen Claude Debussy im Salon des Musikkritikers Louis Laloy ganz in der Nähe der französischen Hauptstadt noch nicht abzusehen. Damals im Juni 1912, so kann man im Beiheft zur Neuaufnahme des Werkes durch das Beethoven Orchester Bonn unter Leitung von Stefan Blunier entnehmen, waren Auszüge des Werkes auch schon erklungen, freilich in der reduzierten Form als Klavierauszug.

Debussy ließ das Ereignis ein halbes Jahr später in einem Brief an den Schöpfer des Balletts noch einmal nachklingen: "In meinem Gedächtnis haftet die Erinnerung daran, wie wir bei Laloy Ihr ,Sacre du Printemps' spielten. Dies verfolgt mich wie ein schöner Albtraum, und ich versuche vergeblich, mir den furchtbaren Eindruck zu vergegenwärtigen. Darum erwarte ich die Aufführung wie ein kindliches Leckermaul, dem man Süßigkeiten versprochen hat."

Im Frühjahr 2013 ist ein weiteres Zusammentreffen der beiden Musiker im Hause Laloy verbürgt. Wieder stand das "Sacre" auf dem Notenpult des Flügels. Und Debussy spielte den Secondo-Part. Ein denkwürdiges Ereignis, wie sich Laloy erinnert. "Wir blieben stumm", beschreibt der Kritiker die Sekunden nach dem Ende des Stücks, "wie von einem gerade vorübergezogenen Sturm niedergeworfen, der aus den Tiefen der Zeiten kam und unser Leben an den Wurzeln packte". Die Bonner Neueinspielung beschert dem Zuhörer ebenfalls den Eindruck der vierhändigen Klavierversion. Den Pianistinnen Evelinde Trenkner und Sontraud Speidel gelingt es auf bemerkenswerte Weise, die Möglichkeiten des Klaviers im Sinne eines farbenreichen Spiels auszuschöpfen, bevor das Orchester den Sturm noch weitaus stärker entfacht.

Das berühmte Fagott-Solo, mit dem das "Sacre" anhebt, erklingt erst in Track 15. Dann aber entwickelt sich unter den Händen von Stefan Blunier ein überwältigendes musikalisches Schauspiel, dessen scharfe Kontraste lustvoll inszeniert werden. Blunier und das Orchester haben spürbar Freude an den raffinierten Klängen, die Strawinski den Holzbläsern sozusagen auf den Leib geschrieben hat, an den archaisch anmutenden wuchtigen, infernalischen Rhythmen. Aber auch Stellen wie die quälend schleichende Introduktion zum zweiten Teil sind in dieser Aufnahme von exquisitem klanglichen Reiz.

Igor Strawinsky: "Le Sacre du Printemps", Versionen für Klavier zu vier Händen und für Orchester; Klavierduo Trenkner-Speidel, Beethoven Orchester Bonn, Stefan Blunier (Dirigent), MDG 930 1908-6

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