Ausstellung in der Galerie Gisela Clement in Bonn Ganz verrückt nach Giottos Sternen

Bonn · Ob nun Sternenwelten oder imaginäre Landschaften: Die Bonner Galerie Gisela Clement zeigt sehenswerte Arbeiten von Alison Hall und Beate Terfloth.

 Erinnerung an die Heimat: Aquarell von Beate Terfloth aus der Reihe „Imaginary Homelands“ aus dem Jahr 2022 in der Galerie Clement.

Erinnerung an die Heimat: Aquarell von Beate Terfloth aus der Reihe „Imaginary Homelands“ aus dem Jahr 2022 in der Galerie Clement.

Foto: Clement

Sie sind wie Lichtpunkte aus einer anderen Welt, zauberhafte Sterne aus einem Traum: Wer den feinen Sternenhimmel auf sattem Blau in den Fresken der Cappella degli Scrovegni oder auch Arenakapelle von Giotto in Padua gesehen hat, wird sie nicht vergessen. 1304 bis 1306 gemalt, faszinieren sie noch immer. Nicht nur touristische Besucher der Kapelle, auch Malerinnen wie die in New York lebende Alison Hall, die seit rund 20 Jahren nahezu jährlich diesen Ort aufsucht, sind verrückt nach Giottos Sternen. Auf einen Untergrund aus immer wieder abgeschliffenen Gipslagen und einer samtigen Schicht ultramarinblauer Pigmente setzt Hall mit dem Graphitstift kleine Sterne, die sich zu einem regelmäßigen Sternengitter fügen und ganz leicht glänzen.

41 hochrechteckige, 31 mal 21 Zentimeter große blaue Bilder hängen in einem Fries in einem der großen Ausstellungsräume der Bonner Galerie Gisela Clement, ein faszinierendes blaues Band an der Wand, dessen Regelmäßigkeit durch leichte, mit dem Pinsel aufgetragene blaue Farbspuren unterbrochen wird. So ist jedes der 41 Bilder anders. Hall weist jedem Bild eine Ballade zu, eine Ballade für die Armen, eine für die Geliebten, eine für den Tiefschlaf und so weiter.

Balladen und Hymnen

Den blauen Balladen stehen im Nachbarraum 57 gleich große Hymnen gegenüber, die sich an die Schwestern oder an den Vater, an einen dunklen Morgen oder auch an das Ahrtal richten. Blickte Hall bei den Balladen in Giottos Himmel, so reizte sie bei den Hymnen der sehr charakteristisch geflieste Boden der Arenakapelle, dessen Struktur sie mit feinem Graphit auf den Untergrund skizziert.

Ein fesselndes Ensemble, das Hall mit zwei „Ode“ genannten rotgrundigen Bildern komplettiert, eine Ode an gute Zeiten, eine für die Zeit, wenn das Feuer erloschen ist. „Ich bin oft erstaunt, wie viel Bilder wissen, wie geheimnisvoll und wissend sie sind“, schreibt Hall in einem Essay, das ebenso auf Giotto wie auf Halls Kunst gemünzt zu sein scheint. „Durch die Sprache der Abstraktion kann Intimität festgehalten werden, ganze Geschichten, die nur der Maler und das Bild kennen.“

Fiktive Landschaften

Der unbedingt sehenswerte minimalistische und doch sehr reiche und poetische Zyklus „One and One is One“ begegnet in der Galerie den ebenso sehenswerten imaginären Landschaften der in Berlin und Salzburg lebenden Beate Terfloth, die im Projektraum ausstellt und am Freitag zum Künstlerinnengespräch eingeladen ist. Mit zartem Aquarellstrich malt sie Details von Landschaften aufs Büttenpapier, Wasserläufe, Küsten, Landzungen, Bergformationen, Straßen und Andeutungen von Dörfern oder Städten. Es sind Elemente aus fiktiven Landschaften, Erinnerungen an so etwas wie Heimat, sicherlich Reflexe, die denen durch den Kopf schießen, die auf Linosa gestrandet sind. „Linosa, Juli 2022“ sind die Blätter der Serie „Imaginary Homelands“ betitelt. Linosa ist eine der drei Pelagischen Inseln im Mittelmeer, die Insel Lampedusa im Süden der Gruppe hat als Anlaufstelle für Flüchtlinge traurige Berühmtheit erlangt. Auch das Ferienparadies Linosa wird immer wieder von Flüchtlingsbooten angesteuert. Terfloths „Imaginary Homelands“ sind in diesem Zusammenhang Erinnerungsprotokolle oder vielleicht auch Versuche, die neue temporäre Situation zu begreifen. Als Skizze einer Heimat oder Perspektive.

Galerie Gisela Clement, Galeriehaus, Lotharstraße 104; bis 17. März. Di-Fr 14-18 Uhr, Sa, Mo nach Vereinbarung. info@galerie-clement.de, ☎ 0228/97 14 39 22. Am Freitag, 20. Januar, 18 Uhr, lädt die Galerie zu einem Künstlerinnengespräch: Beate Terfloth spricht mit Lena Nievers, Kuratorin und Sammlungsleiterin am Museum der Moderne Salzburg.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Glanzvoll von Wagner bis Strauss
Das Bundesjugendorchester in der Philharmonie Köln Glanzvoll von Wagner bis Strauss
Zum Thema
Aus dem Ressort
Denkende Maschine
Kommentar zu ChatGPT Denkende Maschine