Haus der Geschichte in Bonn Ausstellung zeigt Fotografien aus der DDR von Harald Kirschner

Bonn · Berlin-Marzahn, Jena-Lobeda oder Halle-Neustadt – Stadtteile, die in der DDR ab Mitte der 1970er Jahre im Akkord entstanden. Zu dieser Zeit fehlten in der Republik gut 30 Millionen Wohnungen.

 Harald Kirschners Impressionen aus Leipzig-Grünau.

Harald Kirschners Impressionen aus Leipzig-Grünau.

Foto: Harald Kirschner

Kein Wunder also, dass Staats- und Parteichef Erich Honecker die Förderung des Wohnungsbaus zum Kern seines sozialpolitischen Programms machte.

Während der Altbaubestand in den Innenstädten verfiel, wuchs an den Stadtgrenzen die Zahl der Neubauanlagen. Glücksgriff oder Notlösung – für die Menschen bedeuteten die neu errichteten Bezirke beides. Zu den rasant entstehenden Wohnvierteln zählte auch Leipzig-Grünau, die zweitgrößte Plattenbausiedlung der DDR.

Dorthin zog es den Fotografen Harald Kirschner zusammen mit seiner Familie im Jahr 1981. Seither hat er den Alltag der Menschen im Spannungsverhältnis zwischen „Traum und Tristesse“ bildlich eingefangen. Mehr als 700 Fotografien gewähren einen Einblick in die Strukturen der ostdeutschen Wohnsiedlung.

60 dieser Aufnahmen aus den Jahren 1981 bis 1991 sind nun in einer Wanderausstellung im Pavillon des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bis zum 22. Mai zu sehen. Vornehmlich in Schwarz-Weiß gehalten, werden die sozialdokumentarischen Fotografien zu Zeugen einer längst vergangenen Zeit.

Als Kirschner eine der damals begehrten Atelierwohnungen zugewiesen bekam, hatte er sein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig abgeschlossen und sich gerade als freischaffender Fotograf selbstständig gemacht. Noch heute nennt er die 130 Quadratmeter im 15. und 16. Geschoss des Punkthochhauses 16 im Wohnkomplex 4 seine Heimat. Damit ist der 71-Jährige Betroffener und professioneller Betrachter zugleich: Wenn er mit seiner Kleinbildkamera, erst Exakta, später Minolta, durch die Straßen zog, half ihm vor allem sein geschulter Blick.

In zehn Abschnitte untergliedert, beweist die Ausstellung Facettenreichtum: Mit Gemeinsinn, Geselligkeit oder Straßenbild sind die Stationen thematisch überschrieben. Ein weiterer Titel: „Kinder und Jugend in der 'Platte'“. „Es hat mich fasziniert, wie vor allem sie ihr Umfeld in Besitz nahmen“, betonte Kirschner bei der Eröffnung.

So sind es häufig Szenen jener Unbeschwertheit, die zum Motiv der großformatigen Aufnahmen werden. „Schlammhausen“ lautete der wenig schmeichelhafte Beiname Grünaus. Er entlarvte den Stadtteil nicht nur als dauerhafte Großbaustelle, sondern erklärte sie auch zum Abenteuerspielplatz für die Jüngsten. Der Ausbau einer einer Infrastruktur blieb auf der Strecke: Für befestigte Straßen, Parkplätze oder Grünanlagen fehlte das Geld.

„Es ist das Wechselspiel zwischen dem Bild als Zeitdokument und dem Bild als Kunstwerk, das einen besonderen Reiz der Ausstellung ausmacht“, sagte Iris Benner, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Haus der Geschichte. Ein Wechselspiel, das immer wieder den Kontrast zwischen Uniformität und Individualität, Statik und Dynamik offenbare.

Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Pavillon):Traum und Tristesse. Vom Leben in der Platte, Fotografien von Harald Kirschner; bis 22. Mai, Di-Fr 9-19 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertage 10-18 Uhr, Eintritt frei.

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