"Spirit" Australisches Tanztheater in der Bonner Oper

Bonn · Das australische Bangarra Dance Theatre ist mit ihrem Programm „Spirit“ in der Bonner Oper zu sehen. Die Tänzer beherrschen verschiedenste Ausdrucksformen und mischen Modern Dance mit klassischen Ballettfiguren.

Der Geist der Aborigines: Eindrucksvolle Sequenz aus dem Programm des Bangarra Dance Theatre.

Der Geist der Aborigines: Eindrucksvolle Sequenz aus dem Programm des Bangarra Dance Theatre.

Foto: Theater Bonn

Am Anfang steht eine Art Totenklage. Eine Frau scheint einen am Boden liegenden Mann zu neuem Leben erwecken zu wollen. Dazu erklingt fremdartig rauer Gesang wie aus einer archaischen Welt. In seiner Produktion „Spirit“, die am Sonntag im ausverkauften Bonner Opernhaus zu erleben war, beschwört das Bangarra Dance Theatre den Geist Australiens und die Spiritualität seiner Ureinwohner. Die neunzehn Tänzerinnen und Tänzer des 1989 gegründeten Ensembles haben ebenso wie der Choreograf und künstlerische Leiter Stephen Page ihre Wurzeln in der viele Jahrtausende alten Kultur der Aborigines. Mittlerweile gilt die Truppe, die zum ersten Mal in der Reihe „Highlights des internationalen Tanzes“ zu Gast war, als Botschafter ihres Kontinents in aller Welt.

Sie beherrschen verschiedenste tänzerische Ausdrucksformen, mischen Modern Dance mit klassischen Ballettfiguren, rituelle Körpersprache mit Breakdance-Elementen und akrobatische Energie mit der Magie bodenständiger Traditionen. Im kurzen ersten Teil ihrer Performance erzählen sie von der brutalen Kolonialisierung Australiens. Freie Menschen werden plötzlich in bizarre Uniformen gezwängt und bei Verhandlungen mit den Eroberern buchstäblich über den Tisch gezogen. Ihr Lebensraum wird zerstört, ihre angestammte Verbindung zwischen Natur und Geist gewaltsam zerschnitten.

"Traumzeit" folgt den australischen Aborigines

„Traumzeit“ ist das Schlüsselwort für den zweiten Teil, der die Emanzipation der Aborigines in suggestiven Bildern und Szenen zum opulenten Surround-Klang mit Pop-Lärm und komplexen traditionellen Rhythmen illustriert. Brave Folklore ist nicht angesagt im 21. Jahrhundert, das Bangarras modernen Stil prägt. Ein paar Zuschauer verließen ihre Parkettplätze angesichts der Lautstärke schnell. Traumzeit hat mit Schlaf nichts zu tun, sondern mit der unendlich lebendigen raumzeitlichen Gegenwart der heiligen Schöpfung. In der eindrucksvollen Revue wirbeln Männer- und Frauengruppen mit Blätterbüscheln den Staub von den Wegen auf, die zu den alten Zeremonienplätzen führen.

Ein kleiner Pas de Deux mit Hip-Hop-Anmutung oder ein verzweifeltes männliches Solo machen indes deutlich: Die aufgeklärte Gegenwart denkt linear in die Zukunft und nicht mythisch in kosmischen Strukturen. Die australischen Aborigines kamen ohne schicksalsbestimmende Götter aus und begriffen Pflanzen, Tiere und Steine als Anwesenheit einer zyklischen Ordnung. So hyperreal wie das helle Schlussbild vor einer mächtigen Basaltwand. Geologischer Schmelzstoff für eine inspirierte Verschmelzung von interkulturellem Denkmaterial und tänzerischer Intelligenz zwischen geheimnisvoller antirationaler Tradition und neuen Konstrukten. Wunderbar biegsame Körper behaupten ihre Beweglichkeit auf einer vor lauter Tempo thermodynamisch fast schon erstarrten Erde, auf der Menschen weiter tanzen müssen und vielleicht sogar sollen.

90 spannende Minuten

Nach knapp 90 spannenden Minuten überzeugter Beifall mit den üblichen Standing Ovations für die tolle Truppe, die auf ihrer Europatournee einen exklusiven Zwischenstopp in Bonn absolvierte.

Das nächste Bonner Tanz-Highlight folgt am 31.10./1.11. jeweils um 18 Uhr. Das Ballet du Grand Théâtre de Genève präsentiert seine tänzerische Version von Wagners „Tristan und Isolde“. Es gibt noch wenige Karten bei den Ticketshops des GA.

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