BTHVN2020 während der Corona-Krise Im Beethoven-Haus wurde erstmalig Kurzarbeit eingeführt

Bonn · Beethoven-Haus-Direktor Malte Boecker spricht über massive Einschnitte durch die Coronavirus-Krise. Wegen der finanziellen Einbußen wurde erstmalig in der Geschichte des Hauses Kurzarbeit eingeführt.

Auch Beethoven ist gegen die Folgen der Corona-Krise nicht immun. Szene aus Bonn.

Auch Beethoven ist gegen die Folgen der Corona-Krise nicht immun. Szene aus Bonn.

Foto: Lilly Kanthak

Eigentlich könnte Malte Boecker sich ein bisschen auf die Schulter klopfen. Ist doch alles gut gelaufen in den ersten hundert Tagen des Beethovenjahres, das am 16. Dezember 2019 in der Bonner Oper mit einem großen Galakonzert des Beethoven Orchesters fulminant eröffnet worden war und seither Höhepunkt an Höhepunkt reihte. Boecker, der als Direktor des Beethoven-Hauses und künstlerischer Geschäftsführer der Jubiläumsgesellschaft BTHVN2020, eine Schlüsselposition der Feierlichkeiten um Beethovens 250. Geburtstag in diesem Jahr innehat, blickt denn auch mit einiger Genugtuung auf das Geleistete zurück.

„Das Beethoven-Haus hat bereits viele große Vorhaben präsentieren können“, sagt er und nennt die Neueröffnung des aufwendig umgestalteten Museums im Dezember sowie die zeitgleich erfolgte Eröffnung  der Ausstellung „Beethoven – Welt.Bürger.Musik“ in der Bundeskunsthalle, die in Zusammenarbeit mit dem Beethoven-Haus entstand. Im Januar folgte Tabea Zimmermanns erweiterte Beethoven-Woche mit sämtlichen Kammermusikwerken des Komponisten. Nur wenige Tage später flog die internationale Elite der Musikwissenschaft ein, um sich auf Einladung des Beethoven-Hauses im Kongress „Beethoven-Perspektiven“ auszutauschen.

Auch der Wechsel im Präsidium des Vereins von der Bratschistin Tabea Zimmermann auf den Geiger Daniel Hope verlief reibungslos. Der Wahlberliner Hope zeigte gleich Präsenz in der Beethovenstadt und übernahm Anfang März den Auftakt zu der Reihe der Minifestivals „My Beethoven“, die im Mai mit ähnlich prominenten Kuratoren fortgesetzt werden sollte. Gleichzeitig strömten so viele Touristen und Neugierige ins Museum wie nie zuvor, obwohl die fernöstlichen Reisegruppen, mit denen man fest gerechnet hatte, bereits in den ersten Wochen des Jahres ausblieben.

Sechsstelliger Minusbetrag pro Monat

Doch dann erfolgte Mitte März der wegen der Coronavirus-Pandämie verhängte Shutdown, der für alle Konzertsäle und Museen die Schließung bedeutete. Boecker: „Gerade wegen der extrem hohen Nachfrage trifft uns die Sperre sehr. Auch was die wirtschaftliche Grundlage des Vereins angeht.“ Das Beethoven-Haus bekomme zwar auch eine institutionelle Förderung, müsse als privat geführte Einrichtung jedoch einen wesentlichen Teil seines Budgets selbst erwirtschaften. „Der größte einzelne Einnahmeposten, den das Haus hat, ist der Ticketverkauf“, sagt Boecker. „Es handelt sich da um einen  nahezu sechsstelligen Betrag pro Monat. Der ist innerhalb von Tagen auf Null gegangen.“

Ein Einnahmeverlust, der nicht ohne Folgen für das gesamte Beethoven-Haus bleiben kann. Die Ausgaben mussten deshalb so schnell wie möglich deutlich heruntergefahren werden. „Das bedeutet auch – und das ist sehr bitter für uns –, dass wir ausgerechnet im Jubiläumsjahr zum ersten Mal in der Geschichte des Beethoven-Hauses Kurzarbeit beantragen mussten. Nach den immensen Vorbereitungen, die wir in den vergangenen Jahren stemmen mussten, ist dies das Letzte, was ich den Mitarbeitern zumuten wollte.“ Laut Boecker hat über die Notwendigkeit dieser Maße in allen Gremien vom Vorstand bis zum Betriebsrat Einigkeit geherrscht. „Das ist trotzdem eine Entwicklung, die richtig schmerzt.“

Shutdown als Herausforderung für die Jubiläumsgesellschaft

Boecker hofft nun, so bald wie möglich Kammermusiksaal, Museum und Shop wieder eröffnen zu können. Auch wenn Highlights wie der Klaviersonaten-Zyklus mit dem Pianisten Evgeni Koroliov oder die weiteren geplanten „My Beethoven“-Minifestivals mit dem Pianisten Martin Stadtfeld, dem Artemis Quartett und dem Pianisten András Schiff ausfallen oder verschoben werden müssen, will Boecker dennoch optimistisch in die Zukunft schauen. Ein kleiner Lichtblick: Schon in wenigen Tagen soll das Beethoven-Haus wieder zu besichtigen sein – zumindest virtuell. Daran arbeiten sie unter Hochdruck mit Google Arts & Culture zusammen.

Die Jubiläumsgesellschaft stellt der Shutdown ebenfalls vor große Herausforderungen. Denn auch hier musste man nach vielversprechendem Start stark auf die Bremse treten. Etliche Förderprojekte wurden bereits abgesagt, weitere stehen kurz davor oder sind zumindest gefährdet. Eines der Prestigeprojekte auf der Förderliste wäre die März-Ausgabe des Beethovenfests gewesen, das komplett gestrichen wurde. Und in der Musiklandschaft fallen die Festivaltermine derzeit wie Dominosteine – zuletzt sagten sogar die traditionell Ende Juli startenden Wagner-Festspiele in Bayreuth ihre diesjährige Ausgabe ab. Die Einschläge für die noch nicht aufgegebene Septemberausgabe des Beethovenfests kommen näher.

„Wie in der Jubiläumsgesellschaft mit den neuen Herausforderungen umgegangen wird, ist noch nicht entschieden“, sagt Boecker. „Da müssen wir erst einmal die für diesen April vorgesehene außerordentliche Sitzung abwarten.“ Für die Veranstalter drängt die Zeit. Wichtig wäre es, zu klären, ob Förderzusagen über 2020 hinaus noch Gültigkeit besitzen. Laut Förderrichtlinien der Jubiläumsgesellschaft gibt das Beethovenjahr 2020 hier eine klar definierte zeitliche Grenze vor. Wenn solche Konzerte und Projekte erst 2021 stattfinden können, müssten für eine Aufrechterhaltung diese Richtlinien geändert werden, sagt Boecker. „Wir sind im engen Austausch mit allen Zuwendungsgebern. Ich bin zuversichtlich, dass wie eine Lösung finden.“

Immerhin könnte es angesichts der unsicheren Entwicklung der Coronavirus-Pandemie sein, dass auch die Ersatztermine für die gerade in den August 2020 verlegten Großveranstaltungen nicht gehalten werden können (siehe nebenstehenden Artikel) und  man auf das nächste Jahr ausweichen muss. Betroffen wären davon die auf der Hofgartenwiese geplanten Auftritte der Fantastischen Vier oder der Düsseldorfer Elektronikpioniere Kraftwerk und von Robbie Williams. Das Bonn-Wiener Simultankonzert des Beethoven Orchesters auf der Hofgartenwiese wurde komplett abgesagt.

Viele Fragen sind noch offen

Was aus längerfristig angelegten Initiativen wie dem Don-Bosco-Projekt „Beethoven moves“ wird, das in Zusammenarbeit mit dem Beethoven Orchester Straßenkinder aus Medellin und Jugendliche aus Bonn in einer interdisziplinären Klassik/Streetart-Aktion zusammenbringt, ist noch unklar. Ebenso unklar ist bislang, was mit den krisenbedingt nicht mehr abgerufenen Mitteln geschehen soll. Insgesamt hatten Bund, das Land  NRW sowie der Rhein-Sieg-Kreis und die Stadt Bonn der Jubiläumsgesellschaft etwa 30 Millionen Euro allein für Prodekte in der Region zugesprochen.

 „Für mich ist das Beethovenjahr aber noch nicht zu Ende“, gibt sich Boecker weiter zuversichtlich. „Ich denke, dass wir noch in diesem Jahr die Rückkehr zur Normalität erleben werden. Auch wenn wir nicht mehr auf den großen internationalen Tourismus hoffen dürfen. Das ist wohl vorbei.“ Aber eine Auseinandersetzung mit Beethoven könne man trotz aller Ausfälle noch erwarten, sagt Boecker. So freue es ihn, dass die in der neunten Sinfonie vertonte Ode „An die Freude“ während der Coronakrise weltweit in unzähligen Varianten gesungen und gespielt werde und die Menschen auch im „Heiligen Dankgesang eines Genesenen“ aus dem späten Streichquartett in a-Moll Trost fänden. Und er ist fest davon überzeugt, dass Beethovens 250. Geburtstag im Dezember in Bonn wie geplant mit einem großen Konzert des West-Eastern Divan Orchestra unter Leitung von Daniel Barenboim gefeiert werden kann.

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