Beethoven-Haus sieht Experimente des Dirigenten de Ross kritisch

Vor mehr als 24 Jahren hat Dirigent Harke de Roos eine musikalische Entdeckung gemacht, die ihn seither nicht mehr loslässt: Beethovens Metronomangaben werden seit 200 Jahren falsch gelesen, seine Werke daher zu schnell oder zu langsam gespielt.

Beethoven-Haus sieht Experimente des Dirigenten de Ross kritisch
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Bonn. (dpa) Vor mehr als 24 Jahren hat Dirigent Harke de Roos eine musikalische Entdeckung gemacht, die ihn seither nicht mehr loslässt: Beethovens Metronomangaben werden seit 200 Jahren falsch gelesen, seine Werke daher zu schnell oder zu langsam gespielt. Jetzt will der gebürtige Niederländer, der seit einigen Jahren in der Nähe von Fulda (Hessen) lebt, seine Theorie gemeinsam mit den Wiener Symphonikern hörbar machen.

Er nimmt die 2. Sinfonie in dem seiner Meinung nach korrekten Tempo auf. Der zuletzt von 1992 bis 1995 als Generalmusikdirektor des Landestheaters Eisenach tätige Dirigent meint:"Man hat sich 200 Jahre lang die Metronomangaben so gut wie nicht angeschaut. Die Orchester spielen Beethovens Werke nicht in ihrer Urgestalt, sondern verzerrt", sagt er mit großer Bestimmtheit. Der holländische Musikwissenschaftler und Tempoforscher Willem Retze Talsma hatte ihn auf die Fährte gebracht.

In einer Radiosendung hörte de Roos Anfang der 80er Jahre von Talsmas Halbe-Tempo-Theorie. Dieser vertrat die These, dass die Werke der Klassik heute doppelt so schnell aufgeführt werden wie früher. Es war der 13. März 1986, als er über der Partitur der 7. Sinfonie Beethovens brütete und er auf einmal die Erkenntnis hatte, die sein Musikerleben aus dem Takt brachte: Beethovens Metronomangaben sind verschlüsselt!

Einige der Angaben seien ein bewusst eingesetztes Rätsel des Komponisten - der "wahre" Musiker werde das natürliche Tempo eines Stücks erkennen. Seine Erkenntnisse veröffentlichte de Roos 1991 in seinem Buch "Beetgenomen door Beethoven" ("Hereingelegt von Beethoven").

Das Beethoven-Haus in Bonn sieht die Ideen von Harke de Roos eher kritisch. Aber unterschiedliche Interpretationen sind nach Ansicht der Bonner Fachleute "grundsätzlich spannend", und so warten sie die Einspielung ab, um zu entscheiden, ob sie das Projekt aktiv begleiten werden.

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