Beethoven-Oratorium und Haydn-Messe in der Beethovenhalle

Mit Haydns "Missa in Angustiis" (Messe in Zeiten der Bedrängnis), der sogenannten Nelsonmesse, führte Enoch zu Guttenberg in der gut besetzten Beethovenhalle höchst eindringlich vor, welches - auch in die Zukunft weisende - Potenzial der Musik Haydns innewohnt.

Bonn. Joseph Haydn ist etwas für Entdecker. Nicht zu Unrecht bezeichnete ihn beispielsweise Nikolai Rimski-Korsakow als "großen Orchestrator und Vater der modernen Orchestration". Und wo es etwas zu entdecken oder aufzudecken gilt, da ist Enoch zu Guttenberg der richtige Dirigent, einer, der der Musik geradezu unerbittlich auf den Grund geht.

Mit Haydns "Missa in Angustiis" (Messe in Zeiten der Bedrängnis), der sogenannten Nelsonmesse, führte er in der gut besetzten Beethovenhalle höchst eindringlich vor, welches - auch in die Zukunft weisende - Potenzial der Musik Haydns innewohnt. Haydn verblüfft immer wieder durch spannungsvolle Harmonik, durch originelle Wendungen, ganz einzigartige Wort-Ausdeutungen; das dramatisch durchwirkte Kyrie oder das geheimnisvoll schimmernde Sanctus der Nelsonmesse sind dafür gute Beispiele.

Guttenberg musiziert solche Episoden bis aufs Äußerste aus, ohne auf der anderen Seite den Liebreiz oder die mitunter tänzerische, leichtfüßige Eleganz zu unterschlagen. Im Ganzen wirkt das ungemein fesselnd, nicht zuletzt auch deshalb, weil der Dirigent im Orchester der KlangVerwaltung, der Chorgemeinschaft Neubeuern und auch im rundum beglückend singenden Solisten-Quartett (Miriam Meyer, Franziska Gottwald, Daniel Johannsen und Yorck Felix Speer) musikalische Mitstreiter hat, die oft seit Jahren seinen bedingungslosen Weg der musikalischen Intensität mitgehen.

Haydns Nelsonmesse hatte das Ensemble auch im letzten Jahr bei einem überaus erfolgreichen China-Gastspiel im Gepäck. Man würde gern wissen, was sich die Chinesen bei der ja auch hierzulande erst einmal etwas kurios klingenden Bezeichnung Orchester der KlangVerwaltung gedacht haben. Inzwischen weiß man ja, dass es sich bei dieser Verwaltung eben nicht um die ordnungsgemäße Abwicklung von Kompositionen handelt, sondern - so die Selbstaussage - um "das verantwortungsvolle, treuhändische Verwalten von Musik".

Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm kennt für "verwalten" auch die Bedeutungen von "streben" und "bewirken" - das würde man bedenkenlos für Guttenberg und sein Orchester hinzufügen wollen. Denn sie bewirken schon einiges, beim Bonner Beethovenfest-Gastspiel beispielsweise mit einem hingebungsvollen Einsatz für Beethovens Oratorium "Christus am Ölberge". Auch das galt es gewissermaßen zu entdecken. Dieser im "Fidelio"-Vorfeld entstandene "Christus" wird selten aufgeführt.

Das hat schon seinen Grund, und der liegt nicht nur in dem auch von Beethoven selbst als "äußerst schlecht" bezeichneten Text, den man in Bonn jetzt wieder in der Originalfassung hören konnte. Das knapp einstündige Werk ist ein rechter dramatischer Torso, schwankend zwischen italienischer Opernhaftigkeit, sinfonischen Kraftakten und der Suche nach neuen musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten der Empfindsamkeit.

Gleichwohl: Guttenberg machte daraus hörenswerte dramatische Gemälde, durchweg spannende Szenen - mit einem ebenso schlagkräftig wie warm und weich singenden Chor und einem Orchester, das auch aus manchen beiläufigen Figuren noch Funken schlagen kann. Den Christus-Part hat Beethoven einem Tenor überantwortet, Daniel Johannsen hatte dafür den richtigen, hellen Evangelisten-Ton; die Sopranistin Chen Reiss bewegte sich mit fabelhafter Klarheit durchs Koloraturenwerk.

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