Beethoven-Wettbewerb: Jede Note wurde zum Ereignis

BONN · Die Besucherschlange in der Telekom-Zentrale schien kein Ende nehmen zu wollen. Hunderte Klavier-Enthusiasten warteten am Donnerstag kurz vor zehn Uhr früh geduldig vor den noch verschlossenen Türen zum Großen Saal. Fast vier Stunden lang beobachteten sie dann die ersten drei der sechs Halbfinalisten des Beethoven-Wettbewerbs.

Die Teilnehmer, die von der Jury ins Halbfinale geschickt wurden, enttäuschten nicht. Neben dem obligaten Beethoven werden in dieser vorletzten Runde des Wettbewerbes Fähigkeiten im kammermusikalischen Spiel und in der Interpretation von Werken der klassischen Moderne und der Gegenwart verlangt. Während der erste Satz aus Beethovens sogenanntem Geistertrio (op. 70/1) gesetzt war, hatten die Teilnehmer bei den übrigen Werken relativ freie Hand.

Der Franzose François Dumont, Fünfter beim Warschauer Chopinwettbewerb 2010, überzeugte mit einem stark impressionistisch eingefärbten, sehr virtuosen Werk von Eric Tanguy. Der Beethoven-Sonate (op.10/1 in c-Moll) mangelte es hingegen ein wenig an Entschiedenheit.

Mit dem op. 14/1 in E-Dur hatte sich der erst 19-jährige Rémi Geniet nicht die technisch anspruchsvollste der frühen Klaviersonaten Beethovens ausgesucht. Aber gerade das schien er als Herausforderung zu begreifen. Geniet macht jede Phrase zum Ereignis. Dass er auch das Virtuosenhandwerk versteht, zeigte er mit Prokofjews vierter Klaviersonate.

Mit dem 2006 komponierten Stück "Intermittences" des mittlerweile 103-jährigen Komponisten Eliot Carter legte Geniet auch ein bemerkenswertes Beispiel für den souveränen Zugriff auf avantgardistischere Klänge vor. Das Geistertrio spielte er mit jugendlichem Elan, wobei Mihaela Martin (Violine) und (Frans Helmerson) mit Freude am Spiel begleiteten.

Stephanie Proot bekommt Publikums-Favoritenpreis

Das hatten sie zuvor auch bei Dumont getan und taten es wieder bei der Belgierin Stephanie Proot, die bereits als Trägerin des Publikums-Favoritenpreises feststeht, der während der zweiten Runde ermittelt wurde. Hier wie auch in der Sonate in F-Dur von Beethoven beeindruckte die überlegene Klarheit ihres Spiels. Großartig auch die ungarischen Bauernlieder op. 20 von Béla Bártok.

Die letzten drei Aspiranten für das Finale traten am Nachmittag an. Varvara Nepomnyashchaya erwies sich im "Geister-Trio"-Kopfsatz als leidenschaftliche Künstlerin, die mit aufwühlendem Spiel die Szene beherrschte. In Beethovens Sonate in F-Dur überzeugte nicht alles, während sie die miniaturistischen Haikus von Thierry Huillet meisterhaft ausleuchtete. Grandios schließlich: Strawinskys "Petrouchka".

Der Koreaner Chi Ho Han zeichnete Beethovens f-moll-Sonate (op.2) mit viel Feinsinn nach, blieb aber hier und da farblos. Lebendig geriet ihm der "Geister"-Satz, unglaublich packend und vielschichtig dann Prokofieffs B-Dur-Sonate: eine Meisterleistung.

Letzter Kandidat: Jingge Yan aus China. Der sorgte mit einem fantastisch nuancierten Perkussionsfeuerwerk (in Elliott Carters "Caténaires") für Furore und überraschte in Beethovens f-moll-Sonate (op.2) mit einigen Eigenwilligkeiten. Ein Hänger im Finale verhinderte nicht seinen Einzug ins Finale.

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