Viktoriabad wird Festivalzentrale Beethovenfest präsentiert mehr als 100 Konzerte in Bonn

Bonn · Sinfonien im Opernhaus und im Pantheon: Der neue Intendant stellt das Programm seines ersten Beethovenfests vor. Das Publikum erwartet im August und September mehr als 100 Konzerte.

 Steven Walter erläutert im Bonner Viktoriabad das Programm des Beethovenfests.

Steven Walter erläutert im Bonner Viktoriabad das Programm des Beethovenfests.

Foto: Benjamin Westhoff

Das Motto des ersten Beethovenfestes unter der Leitung des neuen Intendanten Steven Walter lautet knapp „Alle Menschen“. Diese Anspielung auf die neunte Sinfonie Ludwig van Beethovens umreißt programmatisch die Neuausrichtung des traditionsreichen Bonner Festivals: Die Musik dringt tiefer in die Stadt ein, die mehr als 100 Konzerte verteilen sich auf 27 Spielstätten in Bonn und in der Region.

Nicht mehr dabei: das WCCB. Stattdessen wird das Opernhaus Schauplatz der meisten Orchesterkonzerte, wie Walter am Donnerstag bei der Programmpräsentation im Viktoriabad sagte. Beim Eröffnungskonzert am 26. August spielt das Budapest Festival Orchestra unter Leitung von Iván Fischer in der Oper unter anderem Beethovens Sinfonie Nr. 3, die „Eroica“. Dasselbe Werk führen sie tags darauf noch einmal im Pantheon auf – als nächtliches Musikevent mit dem Publikum mitten im Orchester.

Insgesamt bietet das Programm neben sinfonischen und kammermusikalischen Highlights experimentelle und populäre Formate und Partys bis spät in die Nacht. Zum Beispiel im Viktoriabad, das nicht nur Spielstätte sein wird, sondern laut Walter auch permanente Anlaufstelle und Treffpunkt für Interessierte. „Dies ist ein wunderbarer Ort als Festspielzentrale für ‚alle Menschen‘“, sagte Walter.

Zum Beispiel kommen dort am 2. September Mitglieder des Ensembles Resonanz und des Orchesters Spira mirabilis sowie der Autor und Journalist Ijoma Mangold zusammen, um gemeinsam mit ihrem Publikum eine lange Nacht mit Texten und viel Musik zu verleben. Der Ausklang findet gleich nebenan im Café Blau statt. Es passe ganz gut, dass die Programmvorstellung im Nichtschwimmerbecken stattfinde, sinnierte Walter. „Denn wir müssen in vielerlei Hinsicht neu schwimmen lernen.“

Dazu zählt eine nachhaltigere Gestaltung der Inhalte. Statt möglichst viele internationale Orchester und Starsolisten einzufliegen, will er sie durch das Residenz-Prinzip enger an das Festival binden. Dadurch werden nicht nur Ressourcen geschont, so das Kalkül des Festivals, sondern auch eher auf Bonn zugeschnittene Programme ermöglicht.

Viele spannende Gäste werden erwartet

So kommt das Quatuor Ébène, das derzeit weltweit wohl gefragteste Streichquartett-Ensemble, gleich zu vier Konzerten zum Beethovenfest. Nur eines ist jedoch ein lupenreiner Quartett-Abend, die anderen finden in erweiterter Besetzung wie zum Beispiel mit dem Klarinettisten Martin Fröst als Gast statt.

Weitere Residenz-Künstler sind das außergewöhnliche Projektorchester Spira mirabilis, das unter anderem im Stadtteilfest Brüser Berg einen langen Auftritt hat, die Neue-Musik-Gruppe Alarm Will Sound, der an modernen Flügeln wie alten Klavieren experimentierfreudige Pianist Alexander Melnikov sowie der isländische Tenor Benedikt Kristjánsson, der nicht nur im Alleingang Bachs Johannespassion bewältigen will, sondern auch eine 24-stündige Performance von Franz Schuberts „Winterreise“ ankündigt. Auch das junge Vision String Quartet schlägt in seiner Residenz ungewöhnliche musikalische Wege ein. Unter anderem spielt es in der Brotfabrik an einem Abend zwei Konzerte in absoluter Dunkelheit.

Bei aller experimenteller und zum Teil sympathisch spielerischer Fantasie in der Programmgestaltung bleiben die großen Sinfoniekonzerte trotz einer Reduktion des Angebots eine wesentliche Stütze des Beethovenfests. So kommt außer dem Orchester aus Budapest auch das römische Orchestra dell‘Accademia Nazionale di Santa Cecilia mit Sir Antonio Pappano und Elina Garanca, die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ist nach längerer Abstinenz wieder an Bord, das WDR Sinfonieorchester reist mit seinem Chef Cristian Macelaru an.

Starke Einbindung von lokalen und regionalen Künstlern

Bonns Generalmusikdirektor Dirk Kaftan und das Beethoven Orchester sind mit zwei Programmen vertreten, unter anderem spielen sie zwei auf Beethovens Neunte Bezug nehmende Uraufführungen von Moritz Eggert. Das Abschlusskonzert am 17. September im Telekom Forum gestaltet das Aurora Orchestra unter Leitung von Nicholas Collon. Sie begleiten Renaud Capuçon (Violine), Julia Hagen (Violoncello) und Kit Armstrong in Beethovens Tripelkonzert.

Die Deutsche Welle lädt zum Orchestercampus junge Musiker aus Osteuropa ein. Außerdem kommt, wie berichtet, das 2017 im Rahmen des Orchestercampus gegründete Jugendsinfonieorchester der Ukraine nach Bonn.

Auffällig ist auch die starke Einbindung lokaler und regionaler Kräfte. So spielt der Pianist Fabian Müller im Beethoven-Haus Werke von Franz Schubert, in der Kreuzkirche führen Kantorei und Orchester Marcus Schinkels „Missa solemnis“-Jazzbearbeitung „Credo in unum mundum“ auf. Und die Bonner Compagnie Cocoondance präsentiert im Viktoriabad eine nagelneue Produktion.

Die Stadt Bonn unterstützt das Festival, das über einen Gesamtetat von 4,8 Millionen Euro verfügt, mit 1,8 Millionen Euro, wie Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) sagte. Ihr Kommentar zum Programm: „Wir haben Grund zur Vorfreude.“

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