Bei "Mackie Messer" zeigt sie Zähne wie ein weißer Hai

Bonner Diseuse Stefania Adomeit singt "Sternstunden" in den Bad Godesberger Kammerspielen

Bei "Mackie Messer" zeigt sie Zähne wie ein weißer Hai
Foto: Müller

Bonn. Ihr feuerroter Haarschopf wird in der Bonner Oper und in den Kammerspielen häufig gesichtet. Für den Erhalt des Metropoltheaters hat sie gekämpft, ihr Auftritt in den ausverkauften Bad Godesberger Kammerspielen sollte auch eine "Sternstunde" für diese Spielstätte des Theaters Bonn werden.

Bei dem abwesenden Generalintendanten hat Stefania Adomeit sich jedenfalls herzlich bedankt für die Möglichkeit, ihr Programm "Sternstunden", das sie schon im November im Spiegelzelt auf dem Dach der Bundeskunsthalle erfolgreich präsentierte, auf die große Schauspielbühne zu bringen.

Auf vielen Bühnen im In- und Ausland ist die kleine Bonner Chansonette mit voluminöser Präsenz ohnehin zu Hause, und mit theatralischen Pathosgesten hat sie ebenso wenig Probleme wie mit dem aus tiefster Seele und Kehle verrucht und zärtlich rollenden Diseusen-"rrr".

Sie grollt und schmollt, schluchzt, jauchzt und jammert, spielt die Diva wie Milva ohne Mähne und das verstoßene, aufmüpfige Kind wie Renards "Poil de Carotte".

Aber natürlich geht es vor allem um den Triumph (selten) und die Leiden der Liebe (oft), die Melancholie der Abschiede und den unsterblichen Weltschmerz. Sie klammert sich - zwischen Herzgriff, Fingerflattern und Luftküssen - ans Mikro wie die Piaf, lässt ihre dunkle Stimme zu "Les flons flons du bal" tanzen, bis aus "La vie en rose" sanft poetisch Préverts herbstliche "Feuilles mortes" durch die verlassenen Pariser Parks rieseln.

Das Nachtschattengewächs aus Georges Moustakis unverwüstlichem "Milord" macht Adomeit zu einer tiefschwarzen Parodie auf die Vergänglichkeit, Jacques Brels "Ne me quitte pas" und "J'arrive" zu ganz eigenständigen Dramoletten.

Was bleibt einem übrig, "Quand on n'a que l'amour"? Klar: nur ein trotzig hingeschmettertes "Non, je ne regrette rien", das Adomeit jedoch applausdramaturgisch geschickt schon weit nach vorne gerückt hat.

Es sind die Klassiker des französischen Chansons, die sie im ersten Teil ihrer wehmütigen "Sternstunden" mit sympathisch beiläufigen deutschen Zwischenmoderationen anstimmt. Lustvoll hautnah wie ihr schwarzes, raffiniert dekolletiertes Samtkleid.

Ausflüge ins aggressiver schillernde Fach machte sie nach der Pause - nun im geschlosseneren schwarzen Kostüm - mit Brecht/Weill und Anklängen an Marlene Dietrich und Zarah Leander.

Brechts Liebesgedicht "Erinnerungen an die Marie A." mit Pflaumenbaum und Wolke - "Sie war sehr weiß und ungeheuer oben" - zelebriert sie aus dem Off, bevor sie den whisky-seligen "Alabama-Song" grölt und den treulosen "Surabaya-Johnny" anhimmelt.

Hollaenders "Jonny" hat bekanntlich immer Geburtstag und nach einem schwülen Rendezvous "nachmittags um halb vier" lecken sich alle Damen die Lippen: "Nimm doch die Pfeife aus dem Maul, du Hund!". Adomeits "Seeräuberjenny" lässt brav die Dreigroschen-Köpfe rollen, ihr "Caruso" bringt den Vesuv mit italienischem Feuer ans Zündeln.

"As Time goes by" ist die Devise, "La maladie d'amour" das Passwort, la petite mort "Après l'amour" die bittere Pointe, und Hildegards heilige "Rote Rosen" regnen sowieso.

Auf Engelsflügeln trug der Pianist Paul Hombach am Flügel alle selbstironischen Stimmbrüche, Stephan Langenberg geleitete sie mit seinem Musette-Akkordeon liebevoll über alle Stimmungswalzen im Dreivierteltakt in den siebten Himmel, in dem Stefania Adomeit unter dem Blumenstraußregen des Publikums fast verschwand.

"C'est si bon" und "Heureuse" waren ihre ersten Zugaben nach knapp zwei Stunden. Beim Rausschmeißer "Mackie Messer" setzte sie sich ein schwarzes Hütchen aufs karottenrote Haar und zeigte Zähne wie ein weißer Hai. Kulinarisch sternverdächtig!

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