Beethovenhalle in Bonn Beim Orchesterfest wurden die Besucher mit einbezogen

BONN · Normalerweise ist die Trennung klar: Das Beethoven Orchester spielt ernst und konzentriert auf der Bühne der Beethovenhalle, das Publikum sitzt im Saal, hört zu und meldet sich nur ab und zu mit Applaus zu Wort. Gestern wurden diese Grenzen jedoch aufgehoben.

Generalmusikdirektor Stefan Blunier dirigiert das Publikums-Orchester.

Generalmusikdirektor Stefan Blunier dirigiert das Publikums-Orchester.

Foto: Thomas Kölsch

Beim Orchesterfest waren es Besucher, die unter Anleitung von Generalmusikdirektor Stefan Blunier den Musikern den Takt vorgaben - und Besucher, die hinterher die "Finlandia" von Jean Sibelius probten und spielten.

"So ein Tag ist sehr wichtig, um den Menschen ein wenig die Angst vor der Klassik zu nehmen", erklärte Blunier am Rande der Veranstaltung. Eine anstrengende Zeit für den Maestro, der kaum Ruhe fand: Immer wieder kamen Mitarbeiter mit Anfragen auf ihn zu, Dirigier-Schnupperkurs und Publikums-Orchester nahmen ihn ebenfalls sehr in Beschlag.

Doch Blunier sah es gelassen, war locker, freundlich, aufgeschlossen. Einziger Makel: "Leider haben wir saugutes Wetter." Denn abseits der Veranstaltungen im Großen Saal war der Andrang der Öffentlichkeit überschaubar. Dass auf der Terrasse des Restaurants Da Capo, wo ein Ensemble Wiener Kaffeehausmusik zum Besten gab, noch am meisten los war, verwunderte nicht.

Schon morgens lockten Highlights aus den "Bobbys Klassik"-Produktionen der vergangenen fünf Jahre Interessierte in den Konzertsaal, später bot sich den Besuchern eine Mischung aus Klassik und Pop dar. Neugier sollte dagegen in drei Nebenräumen geweckt werden, in denen Orchestermusiker ihre Instrumente vorstellten, etwas zur Geschichte von Harfe oder Marimbaphon erzählten und natürlich diverse Klangbeispiele gaben. Und im Eingangsbereich hatten einige Instrumentenbauer ihre Stände aufgebaut, an denen Kinder und Erwachsene gleichermaßen Fagott, Querflöte oder Geige ausprobieren konnten.

Die großen Publikumsmagneten waren jedoch ohne Zweifel die Mitmach-Aktionen mit Stephan Blunier. "Es ist eine tolle Gelegenheit, an so etwas teilzunehmen", sagte etwa Andreas Post aus Rheinbach. Der Pensionär erzählt, dass er vor gut 40 Jahren mal ein Schulorchester dirigiert habe und jetzt noch einmal zum Taktstock habe greifen wollen.

Unter Bluniers Aufsicht und Anleitung durfte er sich als einer von mehreren Teilnehmern am 4. Satz von Beethovens 1. Sinfonie versuchen. "Das war schon recht schwer. Der Anfang muss ja sehr fein und zugleich sehr präzise dirigiert werden", befand Post im Anschluss. "Deshalb muss man für den Beruf ja auch studieren", erwiderte Blunier lächelnd. Der Schlüssel zum Erfolg liege allerdings in der Körpersprache. "Wenn die stimmt, kann man auch ohne Probe ein gutes Ergebnis erzielen."

Sprach's und setzte es in die Tat um. Schon der Auftakt der "Finlandia" klang für ein Orchester, das vorher noch nie zusammen gespielt hatte, recht gut. Doch Blunier wollte mehr, fand die neuralgischen Stellen, korrigierte und präzisierte Timing, Phrasierung und Dynamik. "Ich will mehr Saft hören", forderte er leicht flapsig, "tun Sie mal so, als wären Sie Finnen", Mit diesem Stil kam er an und schaffte es so in einer knappen Stunde, das Niveau beträchtlich zu steigern.

"Das hat einen Riesen-Spaß gemacht", erzählte denn auch Mechthild Julius. "Vor allem das Einbeziehen der Kinder fand ich großartig." Die Bonnerin ist überzeugte Wiederholungstäterin: "Ich habe schon vor zwei Jahren bei dem Publikums-Orchester mitgespielt - und als ich jetzt von dieser erneuten Möglichkeit hörte, habe ich mich sofort angemeldet."

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