"Ben Hur Live"-Spektakel in Köln

Köln · Die Megaproduktion entführt in Köln insgesamt 25.000 Menschen in die Römerzeit.

 Dramatischer Höhepunkt: Beim Wagenrennen pflügt eine von vier Quadrigen durch den Sand der Lanxess-Arena.

Dramatischer Höhepunkt: Beim Wagenrennen pflügt eine von vier Quadrigen durch den Sand der Lanxess-Arena.

Foto: Thomas Brill

Zwischen Realität und Illusion liegen in der KölnerLanxess-Arena zehn Reihen. Während die ganz vorne, in Reihe zwei, auch solcheDetails wie den verrutschten Hosengummi unterm Lendentuch, die Fernbedienungfür das Aufrichten des Segels in der Hand eines Soldaten oder den Ansatz einesnicht komplett abgeklebten Tattoos an der Hüfte des Hauptdarstellersmitbekommen, funktioniert weiter hinten, in Reihe zwölf, die Illusion perfekt.

Von hier aus wähnt man sich tatsächlich Anfang des 1. Jahrhunderts, als sich inGaliläa, in einem Dorf namens Nazaret, ein Zimmermann einem Heer römischerLegionäre entgegenstellt, um die dürstenden Sklaven, die von den Besatzern mitPeitschenschlägen vorangetrieben werden, mit Wasser zu versorgen. Einer dieserSklaven heißt Judah Ben Hur und ist der Titelheld des Historienspektakels, dasam Wochenende drei Vorstellungen lang insgesamt rund 25 000 Menschen in dieRömerzeit entführte.

Autor ShaunMcKenna, Broadway-Regisseur Philip Wm. McKinley und Choreograf LiamSteel verquicken in "Ben Hur Live" Motive aus William Wallaces Heils-und Helden-Bestseller von 1880 mit Szenen, die dem Geist derMonumentalverfilmung William Wylers (1959) entsprungen sind.

Mit der speziellvon Stewart Copeland (The Police) komponierten Musik, dem Produktionsdesign vonMark Fisher und Ray Winkler, Lichteffekten von Patrick Woodroffe, Kostümen vonAnn Hould-Ward und Kampf-Choreografien von Rick Sordelet wird daraus eineInszenierung auf der technischen Höhe der Zeit.

Für zwei Akte und knapp zweiStunden (mit 30 Minuten Pause) verwandelt sich das mit 620 Tonnen Spezialsandgefüllte Oval der Arena in einen bunten Marktplatz in Jerusalem, den Schauplatzeiner Liebesszene zwischen Ben Hur (Sebastian Thrun) und VerwalterstochterEsther (Jantien Euwe) oder das bewegte Schlachtfeld eines Kampfes mit Piratenin der Meerenge von Messina.

Auch dabei haben die Zuschauer in Reihe zwölf die besserenPlätze, denn von dort aus erwecken die weißen Nebelschwaden, die mit blaugrünenLichtschlieren und -kreiseln zu einer brodelnden Oberfläche verschmelzen,gelungen die optische Täuschung, auf wogende See zu blicken. Zehn Reihen tieferhingegen sitzt man beinahe auf Augenhöhe mit 20 Gummireifen, die dafür sorgen,dass die bis zu elf Meter hohen Galeeren auch vorankommen.

Orgien mit leicht geschürzten Protagonisten und Gladiatorenin Technicolor, ein düsteres Gefängnis, ein idyllischer Palmengarten oderJesus, der sich schützend vor eine Ehebrecherin stellt - "Ben HurLive" lässt nichts aus, was das Sandalen-Sujet hergibt.

WährendHauptdarsteller Sebastian Thrun und Michael Knese als Ex-Jugendfreund undspäterer Widersacher Messala - vor allem durch die ausgefeilten Kampfszenen -durchgängig eine gute Figur machen, hat Esther-Darstellerin Jantien Euwe einenwenig dankbaren Part. Da sie nur in wenigen Szenen auftauchen darf, bleibt ihreWirkung zwangsweise blass.

Die Tatsache, dass sämtliche Darsteller aramäisch,lateinisch oder arabisch reden, kompensiert Erzähler Armand Presser aufwunderbar sonore Weise. Durch ihn gewinnt das legendäre Wagenrennen im zweitenAkt noch an Dynamik. Wenn bis zu vier Quadrigen und 16 prachtvolle Hengstegleichzeitig in halsbrecherischer Geschwindigkeit die Arena umrunden, der Sandin hohem Bogen stiebt und sich den Zuschauern die Nackenhaare aufstellen, wirdPresser zum leidenschaftlicher Kommentator der "Formel 1 der Antike".

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