Berührende Aufführung

Am Ende verharrt das Publikum stumm auf seinen Plätzen - Bachs Johannes-Passion unter Reiner Schuhenn in der Bonner Kreuzkirche

Bonn. Einer ganz eigenen historischen Lesart hatte sich die Aufführung von Bachs Johannes-Passion in der Bonner Kreuzkirche verschrieben: Das Werk aus seinem längst säkularisierten (Konzert-)Status auf den im Jahre seiner Entstehung (1724) zugrunde liegenden theologisch-liturgischen Kontext zurückzuführen, war das Anliegen Reiner Schuhenns, der für die musikalische Leitung verantwortlich zeichnete.

Die Heimkehr des Gottessohnes zu seinem himmlischen Vater bildet das gedankliche Zentrum und nicht - wie in der späteren Matthäus-Passion - das menschliche Leiden und Sterben.

Dieser Abstraktion trug Schuhenn mit einer konsequent zurückgenommenen, ja geradezu verinnerlicht wirkenden Darstellung Rechnung, die indes ebensowenig spröde wie blutarm ausgefallen war; hierzu zählten neben grundsätzlich straffen Tempi vor allem vitale Phrasierungen und eine Reihe außergewöhnlich dynamischer Akzente, insbesondere in den Turba-Chören.

Die indes, und das mag der einzige leise Vorbehalt gegenüber einer im übrigen musikalisch überzeugenden Aufführung sein, hätten etwas konturenschärfer in der Artikulation ausfallen dürfen.

Exemplarisch für die eindringlich reflektierende Auseinandersetzung Schuhenns war die chordurchwirkte Bass-Arie "Mein teurer Heiland" ausgefallen. Hier mischte sich die Kantorei der Kreuzkirche in sanftem Duktus mit dem wundervoll warmen Timbre des Arien-Basses Marco Vasalli. Vielleicht ein wenig zu schlank wirkte der Christus-Bass vonNorbert Keßler.

Die Mezzo-Sopranistin Christine Wehler fand in der Arie "Es ist vollbracht!" zu einem ruhig fließenden Duktus, wohingegen die vibratofreie Sopranistin Christiane Rost von Anbeginn an zu überzeugen vermochte: Ihre Arien gerieten zum Muster geradlinig unprätentiöser Darstellung. Angemessen schlank im Timbre, aber dennoch ausdrucksstark der Evangelist und Arien-Tenor Thomas Klose.

Schuhenn hatte sich jeden Applaus am Schluss verbeten. Wie berührend seine Bach-Exegese indes ausgefallen war, war daran abzulesen, dass das Publikum in der überfüllten Kreuzkirche minutenlang stumm stehend auf seinen Plätzen verharrte.

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