Besonnen, packend, ergreifend - aber ohne falsches Pathos

Philharmonischer Chor singt Mozart in der Bonner Beethovenhalle - Trio in exotischer Besetzung im Beethoven-Haus - Gitarrenklänge längst vergangener Zeiten in der Redoute - Gelungener Crossover der polnischen Band Kroke präsentiert in der Harmonie - Gedenkkonzert für Andreas Boßler

  Die polnische Gruppe Kroke  hat sein Publikum in Bonn mit facettenreichen Rhythmen erobert.

Die polnische Gruppe Kroke hat sein Publikum in Bonn mit facettenreichen Rhythmen erobert.

Foto: Robert

Beethovenhalle. Mit einer geballten Ladung Mozart gedachte der Philharmonische Chor der Stadt Bonn im Rahmen seines Konzertes in der Beethovenhalle des 250. Geburtstages des Meisters. Auf dem Programm standen mit der Messe in c-Moll und dem Requiem zwei unvollendete und - mehr oder weniger - sagenumwobene Kompositionen aus Mozarts Feder.

Denn nicht nur um das Requiem ranken sich vielfältige Legenden, auch hinsichtlich der in ihren ungleich verteilten Proportionen als Torso verbliebenen c-Moll Messe gibt es noch jede Menge offene Fragen - etwa warum Mozart etliche Textstellen des Messkanons unvertont ließ.

Musikalisch war das Fazit an diesem Abend dagegen eindeutig. Unter der Leitung von Thomas Neuhoff erwies sich der Philharmonische Chor wieder einmal als exzellenter Klangkörper und auch das Philharmonische Orchester zeigte einmal mehr seine Qualitäten als oratorienerprobtes Ensemble.

Beides zusammen ergab einen Mozart, der besonnen und doch packend, ergreifend aber ohne falsches Pathos war. Durch sein schnörkelloses Dirigat hielt Neuhoff stets alle Fäden in der Hand und sorgte für ein klar strukturiertes Klangbild.

Mit ausgewogenen Tempi, klaren Einsätzen und einer klar gestaffelten Dynamik erteilte er jedweden Manierismen eine deutliche Absage und ließ doch mit einer anrührenden Herzenswärme musizieren.

Höhepunkte setzten auch die Solisten, allen voran der Tenor Andreas Post, der schlanker, schwerelos geführter und einfach hinreißend klingender Tenorstimme sang. Stimmlich konnte auch Simone Kermes überzeugen, allerdings kehrte die opernerfahrene Sopranistin zuweilen das Dramatische in ihrer Partie etwas über Gebühr hervor. Aber auch der warme Alt von Alison Browner und der schlank geführte Baß von Thilo Dahlmann erwiesen sich als gediegen.

Beethoven-Haus. In der Reihe "Young Stars" des Beethoven-Hauses kam man jetzt in den Genuss einer nicht gerade alltäglichen Kammermusik-Formation: Es präsentierte sich in dieser Veranstaltung des Deutschen Musikrats (Bundesauswahl Konzerte junger Künstler) das Trio arundo mit Elisabeth Seitenberger (Klarinette), Michael von Schönermark (Fagott) und Jochen Ferber (Klavier).

Dass es für ihre seltene Besetzung überhaupt Originalkompositionen gibt, ist schon eine Überraschung. Gleich zu Beginn erklang das schönste und ausgedehnteste Werk des Programms, Beethovens Eigenbearbeitung seines Septetts op. 20, das er etwa 1802/03 in eine kleinere Besetzung umarbeitete und das 1805 als op. 38 im Druck erschien.

Auch in dieser Version kamen all die Schönheiten dieses Werkes voll zur Geltung.

Mozarts B-Dur-Divertimento Nr. 9 KV 240 war im Anschluss gleichfalls flott und klangreich musiziert. Frühromantisch und virtuos ging es dann zu bei Mendelssohns Konzertstück Nr. 2 d-Moll op. 11 zu, bei dem zahlreiche kadenzartige Solo-Partien und Duo-Passagen der beiden Bläser auffielen.

Das Schlussstück des Programms, Michail Glinkas "Trio Pathétique" hielt in seinen vier Sätzen ebenfalls ausdrucksvolle Soli für Klarinette wie Fagott bereit. Viel Beifall im vollbesetzten Kammermusiksaal.

Redoute. "Et in spiritum sanctum" von Cristobal de Morales, der spanischen Antwort auf Palestrina: Mustergültig sind Kontrapunkt und Harmonie ausbalanciert, schwerelos fließen die Stimmen dahin.

Kann das anders als mit Chor realisiert werden? Es kann, glaubte jedenfalls Enriqez Valderrábano, Zeitgenosse des Meisters, und schuf eine Transkription für Gitarre und Vihuela, der spanischen Vorläuferin der Gitarre.

Und wenn man das Ganze so feinsinnig spielt wie Frank Bungarten, Gitarre, und Stephen Stubbs, Vihuela, in der Bad Godesberger Redoute, konnte man aus dem intimen Stimmengeflecht mühelos weitschwingende Vokalisen heraushören.

Dass derartige Adaptionen von Vokalwerken ein gängiges Verfahren waren, belegten zwei weitere Intavolierungen von Werken Nicolas Gomberts und Josquins Despres'. Die im Vergleich zur modernen Gitarre eine Spur trockener und konturierter klingende Barockgitarre präsentierte der Alte-Musik-Spezialist Stephen Stubbs in diversen Werken aus dem 17. Jahrhundert, wie etwa einer "Sinfonie pizzicate" von Foscarini oder "Canario" von Kapsberger.

Da klingt schon ein Flamenco voraus, werden lustvoll tänzerische Rhythmen zelebriert. "Folia della Chitarra Spagnuola", also "Verrücktheiten" über die spanische Gitarre, hatten Bungarten und Stubbs ihr Programm mit Musik aus fünf Jahrhunderten übertitelt.

"Folia" ist ein ursprünglich portugiesischer, derber Volkstanz, der zahllose Komponisten zu Variationswerken inspirierte. Arcangelo Corellis Sonate über "La Follia" realisierte das Duo mit ebenso viel Geschmack wie Frank Bungarten als Solist Fernando Sors "Les folies d'Espagne" für Gitarre.

Mit Maurice Ohanas vielgestaltigem "Tiento" und Joaquin Rodrigos "Invocacion y Canza" kam das 20. Jahrhundert zu Wort. Und in Leo Brouwers "Micropiezas", einer Sammlung knapper, frecher und fetziger Charakterstücke, setzten die beiden Künstler einen glänzenden Schlusspunkt.

Harmonie. Klezmer der besonderen Art ist das Kennzeichen der polnischen Gruppe Kroke. Das Krakauer Trio - Tomasz Kukurba (Violine und Stimme), Jerzy Bawol (Akkordeon) und Tomasz Lato (Kontrabass) - hat sich in Bonn sein Publikum erobert, der Konzertsaal der Endenicher Harmonie war voll.

Zu ihrem nunmehr dritten Auftritt in Bonn hatte die Band den Perkussionisten Tomasz Grochof mitgebracht - eine unbedingte Bereicherung des Ensembles: seine gezielten und facettenreichen Rhythmen verliehen Krokes Musik noch mehr Intensität.

Die virtuosen Instrumentalisten konzentrieren sich mit ihrer Musik nicht nur darauf, authentische jiddische Musik zu spielen und stilecht zu komponieren, sondern verstehen es darüber hinaus auf meisterhafte Weise, osteuropäische Folklore durch zeitgemäße Stil-Elemente behutsam wie geschmackvoll zu erweitern.

Das Ergebnis: ein gelungenes Crossover zwischen Tradition und Moderne. Beeindruckend, wie das Quartett dabei atmosphärisch dichte wie raumgreifende Klangbilder aufbaut, melancholische Tiefe und elegische Trauer sowie spannungsgeladene Dramatik stimmungsvoll zum Ausdruck bringt um bei anderen Stücken wie "Dance" oder "Usual Happiness" tänzerische Leichtigkeit und fröhliche Ausgelassenheit zu vermitteln.

Beethoven-Haus. Fast genau auf den Tag ist es drei Jahre, dass der bekannte und beliebte Bonner Flötist Andreas Boßler, Begründer der erfolgreichen Bonner Bläser-Kammermusikvereinigung und stellvertretender Leiter der Bonner Musikschule, einem plötzlichen Herztod erlag. Familie und Freunde hatten nun, im sehr gut besuchten Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses, ein Konzert zu seinem Gedenken organisiert.

Es wurde ausgerichtet von Boßlers Schwester Irmela, gleichfalls renommierte Flötistin, und seinem Schwager, dem aus Godesberg stammenden Pianisten Bernhard Kastner, die beide heute als Professoren an der Leipziger Musikhochschule tätig sind, sowie den beiden Mitgliedern des ehemaligen Bläserquintetts Klaus Reiet, der Oboist im Bonner Beethoven Orchester ist, und dem Klarinettisten Michael Neuhalfen.

Mit Emmanuel Klos (Fagott) und Volker Grewel (Horn) wirkten an diesem Abend noch zwei weitere Solobkäser des Beethoven Orchesters mit. Das Programm, das die sechs Musiker erarbeitet hatten, war mit Werken von Darius Milhaud, Andreas Boßlers Vater Kurt und Françis Poulenc primär der klassischen Moderne gewidmet, begann jedoch mit einem Werk Mozarts.

Es war dies das Quintett für Klavier und Bläser Es-Dur KV 452, bei dem der farbige Bläser-Satz dem konzertanten Klavier gegenübergestellt ist. Kurt Boßlers mit großer Intensität vorgetragenes Quintett für Bläser von 1967/68 wirkt in seiner knapp gehaltenen Fünfteiligkeit formal recht streng, zeigt dabei jedoch in den getrageneren Sätzen eine expressive Klanglichkeit.

In Milhauds Sonate für Flöte, Oboe, Klarinette und Klavier von 1918 und in Poulencs Sextett für Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn und Klavier von 1932/39 entdeckten die Musiker eine Füller klanglicher Reize. Viel Beifall für einen Abend, an dem Andreas Boßler hätte sicher seine Freude gehabt hätte.

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