Ausstellungen in Bonn Bilder von entlarvendem Witz

BONN · Minimal-invasive Eingriffe haben etwas höchst Charmantes. Wem es gelingt, mit der kleinstmöglichen Verletzung in den intakten Bestand etwas Neues, vielleicht sogar Besseres zu erschaffen, dem ist die positive Würdigung sicher.

Das gilt für den Arzt nicht weniger als für den Künstler. Maik und Dirk Löbbert haben es in dieser Disziplin zu einiger Meisterschaft gebracht. Im vergangenen Jahr veränderten die Brüder das Treppenhaus der Endenicher Lutfridstraße 11 mit unterschiedlich farbigen Folien in den Fensterscheiben auf ebenso einfache wie großartige Weise. Jetzt folgt die passende Ausstellung zu diesem Projekt Kunst und Wohnen, das von der Gesellschaft für Mietwohnungsbau Miwo regelmäßig initiiert wird.

Auch in den Räumen der Kunstgaleriebonn erweisen sich die Löbberts als souveräne Könner in Interventionsfragen, sowohl in ihren skizzenartigen Prints, als auch in dokumentarischen Fotos oder in digital bearbeiteten Farbfotografien. Sie greifen mit höchst flüchtigen Wassermalereien oder Sperrmüll-Assemblagen in den öffentlichen Straßen- und Architekturraum ein, verändern und erweitern Aufnahmen von Gebäuden in den virtuellen Raum, oder übersetzen Motive wie eine "Tankstelle" oder ein "bad + wc" in Zeichnungen, die fast wie Piktogramme wirken. Das hat Witz, ist manchmal entlarvend und vermag mit seiner lakonischen Einfachheit gewohnte Wahrnehmungen in neue Sichtweisen zu verwandeln.

Kunstgaleriebonn, Lotharstraße 106; bis 21. Februar, Di-Fr 14-18, Do 14-22 Uhr, Sa 11-15 Uhr. An Karneval vom 12.-18.2. geschlossen.

Aus einiger Entfernung manifestieren sich die Gegenstände auf den Wandarbeiten von Meike Entenmann wie Traumbilder. Ebenso flüchtige wie sehr konkrete Erscheinungen, die nach dem Traum-Erwachen nachklingen. Aus der Nähe betrachtet löst sich der Sessel mit Leselampe, der Stuhl am Küchentisch oder das Treppengeländer in einzelne rote Punkte auf, die Assoziationen an die groben Raster der Pop Art oder ein verpixeltes Foto wecken.

Tatsächlich erweisen sich die Punkte als zarte Stickerei auf dem Trägermaterial Raufasertapete. Dabei variiert sowohl die Punktgröße als auch die Farbschattierung des roten Fadens, dessen Anfang und Ende eines jeden gestickten Punktes aus dem Bild wie kleine Antennen in die Wirklichkeit ragen. Meike Entenmann, Jahrgang 1975, versteht sich als Bildhauerin und experimentiert mit Materialien und Techniken, die abseits der klassischen Skulptur liegen. Für ihre mehrteiligen Raufaserobjekte verwendet die Kölner Künstlerin eine Sticksoftware, die das Motiv in ein Punkteraster überträgt. Das Ergebnis ist ein origineller, stimmiger und in seiner Zartheit sehr poetischer Zusammenklang von technischer Präzision und alltäglichen Materialien.

"ZweiRaum" heißt die Ausstellung, in der Meike Entenmanns Arbeiten aktuell in den großzügigen Räumen der Galerie von Judith Andreae zu sehen sind. Neben den Wandarbeiten mit dem Titel "Ausgefranste Erinnerungen", deren Möbel-Motive aus dem leergeräumten Haus der Großeltern stammen, hat die Künstlerin auch abstrakte Figuren als "Living Wallpaper" mit Stickgarn auf die Tapete gebracht. Während diese Arbeiten ohne Wenn und Aber überzeugen, bewegt sich die Künstlerin in einigen anderen Objekten, darunter eine Tisch-Installation oder die Kleid-Skulpturen, gefährlich nahe an einer Ästhetik, die allzu sehr auf Harmonie bedacht ist. Ein paar mehr Ecken und Kanten könnte die Kunst von Meike Entenmann ruhig vertragen. Sehenswert ist sie allemal.

Galerie Judith Andreae, Paul-Kemp-Straße 7, bis 28. Februar. Mi-Fr 15-20, Sa 12-17 Uhr.

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