"Bitte stellen Sie keine Fragen an die Musik"

Kofman dirigiert Freitagabend Valentin Silvestrovs sechste Sinfonie in Bonn: Ein Gespräch mit dem Komponisten

Bonn. Komponieren, sagt Valentin Silvestrov, sei wie das Auswerfen einer Angel. Man müsse geduldig warten, bis man von einem Einfall "überrascht" werde. Und ebenso offen lässt er den weiteren Verlauf einer Komposition, folgt seinem Instinkt. "Wissen Sie, ich bin Lyriker, kein Dramatiker", erklärt der in Kiew geborene und lebende Komponist während eines Gesprächs in der Heilig-Kreuz-Kirche in Bad Godesberg.

Dort spielt gerade das Beethoven Orchester seine sechste, 1995 entstandene Sinfonie in einer Ersteinspielung auf CD ein. Dirigent Roman Kofman und Valentin Silvestrov kennen sich seit 40 Jahren. Seine fünfte Sinfonie hat Silvestrov dem Dirigenten gewidmet, den er respektvoll einen "Mitschöpfer" seiner Werke nennt.

Die sechste Sinfonie setzt mit einem signalartigen Oktavsprung ein, einem "Imperativ", wie Silvestrov das kleine Motiv nennt, das mehrfach wiederkehrt. Ein dichtes Beziehungsnetz knüpft Silvestrov daraus allerdings nicht. Er verzichtet auf verästelte Strukturen und polyphone Strenge, möchte die Musik "durchschaubar" halten. Den Zuhörern empfiehlt er, sich ihr "mit großem Vertrauen folgen" und "keine Fragen an die Musik stellen".

Valentin Silvestrov, der am Freitag seinen 68. Geburtstag feiert, gilt als einer der führenden Vertreter der "Kiewer Avantgarde". Die trat um 1960 an die Öffentlichkeit und sah sich heftiger Kritik von Seiten der akademischen sowjetischen Musikästhetik ausgesetzt.

Um 1970 vollzog Silvestrov eine Wendung hin zu einer Art Postmoderne. "Meine Musik ist Antwort und Echo auf Vorhandenes", heißt es in einer Bemerkung zur "Postskriptum" betitelten Violinsonate. Der Werkkatalog verzeichnet zahlreiche Opera für Orchester und kammermusikalische Besetzungen. Auch eine siebte Sinfonie existiert mittlerweile. Ihr hat Silvestrov den Untertitel "vollendete Unvollendete" gegeben.

Silvestrovs Musik verortet sich in der Musikgeschichte, die heute allgegenwärtig ist. Man entdeckt in ihr vertraute Tonfälle, Wendungen oder Charaktere. Silvestrov spricht von "Metaphorischer Musik" und fügt hinzu: "Auch Mozart, Haydn und Beethoven haben die Musik ihrer Gegenwart zu Höherem veredelt."

Auf die Frage, ob er neue Musik schreibe, antwortet Silvestrov, der Freitag seinen 68. Geburtstag feiert: "Man kann das Neue überall finden, man kann immer wieder neu wahrnehmen, dass die Sonne scheint, ein Vogel singt oder ein Kind lächelt".

Silvestrovs 6. Sinfonie wird Freitag, 20 Uhr, vom Beethoven Orchester unter Roman Kofman in der Beethovenhalle aufgeführt. Außerdem steht das Klavierkonzert Nr. 5 in F-Dur von Camille Saint-Sa‰ns mit dem Pianisten Jean-Yves Thibaudet auf dem Programm. Karten in den GA-Ticket-Shops.

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