Bitterböse und durchgeknallt: "November" im Contra Kreis Theater

Mit Jochen Busse und Claudia Scarpatetti - Der Marsch durch die Fettnäpfchen

Bitterböse und durchgeknallt: "November" im Contra Kreis Theater
Foto: Theater

Bonn. Dieser Präsident ist eine totale Nullnummer, nichts im Kopf außer dem eigenen Profit und erst recht nichts auf dem Konto. Dabei wären Grips und Geld fürs Finale des amerikanischen Wahlkampfs dringend nötig. Aber an Geist ist bei der korrupten Nummer eins im Oval Office nicht zu denken.

Charles Smith, genannt Chucky, riskiert schon mal Kopf und Nation, wenn er die Ehefrau abwimmeln will: "Ich kann jetzt nicht. Der Iran hat soeben einen Atomangriff gestartet." Und überhaupt: Da war doch was mit Krieg. Iran? Irak? China? Chucky hat so seine Schwierigkeiten mit dem Überblick in der Weltpolitik.

Mit Geld kennt er sich besser aus. Aber die Tricks, das heruntergekommene Konto für die Wiederwahl aufzuhübschen, verfangen immer weniger. Man könnte vielleicht noch die Truthahn-Lobby ein bisschen unter Dampf setzen. Wie wäre es, Thanksgiving, den Truthahnverzehr-Feiertag, schlicht aus dem amerikanischen Kalender zu streichen, oder verwegen zu behaupten, die Pilgerväter hätten Schweinefleisch oder Dorsch bevorzugt?

Am vierten Donnerstag im November ist Thanksgiving, da kommt der Truthahn in den Herd. Im November wird in den Staaten auch der Präsident gewählt. Und "November" hat David Mamet, der außerordentlich produktive und außerordentlich kluge amerikanische Dramatiker ("Oleanna") und Drehbuchschreiber ("Wenn der Postmann zweimal klingelt"), seine 2008, am Ende der Bush-Ära uraufgeführte, bitterböse und extrem durchgeknallte Farce um den präsidialen Versager genannt.

Das Stück, das jetzt im Bonner Contra Kreis für allergrößtes Vergnügen sorgt, belegt pointenreich und treffsicher eine Mamet-These: "Ich glaube, dass sich Menschen in schwierigen Situationen wie Schweine verhalten können." Mamet ist ein brillanter Schreiber, auch und gerade wegen des "Mametspeak", einer mitunter durchaus rohen Sprache, die mit politischer Korrektheit nicht wirklich etwas im Sinn hat.

Mit dem "November"-Präsidenten hat er eine Paraderolle entworfen, der Jochen Busse im Contra Kreis nichts schuldig bleibt. Busse kann sich wunderbar in Rage reden, man sieht förmlich den Blutdruck steigen; er schwadroniert, dass es eine Lust ist, geifert und trickst. Kein Fettnäpfchen ist vor ihm sicher. Und dennoch hat er übergangslos ein paar stille, nachdrückliche Momente, in denen so etwas wie Selbsterkenntnis oder Ekel vor dem politischen Geschäft aufscheint.

Die Stichwortgeber für diesen Mann ohne Rückgrat hat Regisseur René Heinersdorff gescheit in Szene gesetzt. Er selbst spielt Archer, Chuckys Ratgeber, mit einer gehörigen Portion Schlitzohrigkeit und Pragmatismus, Thomas Gimbel vertritt die Truthahnzüchter-Lobby mit fein dosierter Schmierigkeit, André Beyer kann als Indianerhäuptling einen Hauch von Aufsässigkeit ins Weiße Haus bringen.

Den absurden Reigen komplettiert Claudia Scarpatetti stilvoll und manchmal auch idealistisch. Sie ist die linke und lesbische Redenschreiberin, die aus China ein Baby und womöglich auch die Vogelgrippe importiert hat und jetzt vom Präsidenten vor laufenden Kameras mit ihrer Freundin getraut werden möchte. Auf solche Konstellationen muss man erst mal kommen. Das Publikum war hingerissen.

Bis zum 14. März auf dem Spielplan des Contra Kreis Theaters. Karten unter anderem in den Geschäftsstellen des General-Anzeigers.

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