Bonn feiert Himmelmanns Inszenierung von "La finta giardiniera"

Höhenangst sollten die Sänger nicht haben, die in der Bonner Inszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts früher Oper "La finta giardiniera" mitwirken. Regisseur Philipp Himmelmann lässt den musiktheatralischen Liebesreigen in einem Labyrinth spielen, das Bühnenbildner Hermann Feuchter von der Ebene in die Senkrechte gekippt hat.

 Drunter und Drüber: Ein Durcheinander richtet Hermann Feuchters Bühnenbild nicht an, wohl aber verlangt es von den Akteuren eine starke Physis.

Drunter und Drüber: Ein Durcheinander richtet Hermann Feuchters Bühnenbild nicht an, wohl aber verlangt es von den Akteuren eine starke Physis.

Foto: Thilo Beu

Bonn. Höhenangst sollten die Sänger nicht haben, die in der Bonner Inszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts früher Oper "La finta giardiniera" mitwirken. Regisseur Philipp Himmelmann lässt den musiktheatralischen Liebesreigen in einem Labyrinth spielen, das Bühnenbildner Hermann Feuchter von der Ebene in die Senkrechte gekippt hat.

Bei ihrer Partnersuche, die sie etliche Irrwege einschlagen lässt, müssen die liebestollen Figuren schon mal einige Höhenmeter bis zum oberen Bühnenrand überwinden. Dabei klettern sie über Sprossen, kraxeln über Wände - oder sie nehmen doch lieber den einfacheren Weg über eine der vielen Türen, die auf die Kammern des Labyrinths verteilt sind.

So kombiniert Himmelmann in seinem intellektuellen Spiel schlau den mythischen Irrgarten mit dem wichtigsten Requisit der Boulevardkomödie, als welches die Tür fraglos zu gelten hat. Dass man es hier mit einem "heiteren Drama" zu tun hat, daran lässt schon die erste Szene keinen Zweifel.

Die eckigen Bewegungen des in den hübschen Rokoko-Kostümen von Gesine Völlm singenden Quintetts, das sich lebhaft in der zentralen Kammer des Labyrinths drängelt, erinnern deutlich an die Commedia dell'Arte. Hinter ihnen befindet sich ein rot ausgeschlagenes Fach, das sich farblich von dem mit reichlich Patina behafteten goldenen Grund des Labyrinths absetzt.

In diesem Fach wird ein Dolch ausgestellt, der Symbol für die Vorgeschichte des Dramas ist. Denn mit der Waffe war einst der eifersüchtige Graf Belfiore auf seine Geliebte losgegangen, die er seither tot wähnte. Doch die Marchesa Violante Onesti überlebte und hat sich nach der Rekonvaleszenz unter dem Namen Sandrina als Gärtnerin in die Dienste des Podestà von Lagonero begeben.

Ihre Hoffnung, hier auf ihren flüchtigen Liebhaber, dem sie noch immer verfallen ist, zu treffen, wird sich im Verlaufe der Handlung natürlich erfüllen. Doch bis die Marchesa wieder in den Armen Belfiores landet und ihre wahre Identität preisgibt, müssen etliche Wirrungen geordnet werden. Denn im Hause des Podestà sind alle verliebt, doch jeder liebt den falschen.

Philipp Himmelmann gelingt es erstaunlich gut, die Fäden zu entwirren und der Handlung eine deutliche Stringenz zu verleihen. Nicht nur, weil er das Stück deutlich gestrafft hat. Er schafft für seine Inszenierung eine wunderbare Balance aus Komik und Herzenstiefe, die auch die Musik des 18-jährigen Komponisten auszeichnet.

Er zitiert den Geist des Rokoko und macht die Handlungsmotive in seiner genauen Personenführung zugleich fürs heutige Publikum nachvollziehbar. Jede Ensemble-Szene, jede Arie ist bis in die kleinste Geste hinein gleichsam durchchoreografiert, genau abgestimmt auf die Musik.

Wenn sich Violante/Sandrina und Belfiore wiederfinden, greifen sie zum Dolch und beginnen mit ihm zu tanzen. So wird er in ihren Händen zu einem erotischen Spielzeug (was möglicherweise mehr über die im Dunkeln liegenden Geschehnisse der Vorgeschichte sagt als das Verhör durch die anderen).

Anna Siminska und Mirko Roschkowski spielen das mit unnachahmlicher Eleganz und hintergründigem Humor. Sie sind, wie die übrigen Mitwirkenden auch, mit ungeheurer Spielfreude bei der Sache. Und gesungen wird trotz ihres bisweilen enormen physischen Einsatzes auf hohem Niveau.

Anna Siminska erfüllt den Raum mit leuchtenden Sopranfarben, die auch die Melancholie dieser Partie gefühlvoll einfängt. Mirko Roschkowski gefällt in seinen Arien mit schöner, reiner Tenorstimme. Julia Kamenik ist eine feurige Arminda. Die im Bonner Ensemble auf Hosenrollen abonnierte Mezzosopranistin Susanne Blattert verleiht dem Ramiro den nötigen spröden Charme.

Mit quirligem Temperament und jugendlich frischer Stimme stattet Ingrid Froseth das Kammermädchen Serpetta aus, und Giorgos Kanaris punktet mit herrlichem Bariton als der ihr verfallene Nardo. Als unglücklicher, weil in Liebesdingen als einziger leer ausgehender Podestà machte Mark Rosenthal eine gute Figur.

Immer ganz nah an den Sängern blieb der aus Estland stammende Gastdirigent Hendrik Vestmann. Unter seiner Leitung produzierte das Beethoven Orchester einen fein konturierten und zugleich dynamischen Mozartklang, der die verspielten Verzierungen in den Violinen ebenso berücksichtigte wie die scharfen Horneinwürfe oder die seelenvollen Bläsersätze. Begeisterten Applaus gab es nach der Premiere gleichermaßen für die Ausführenden wie für das Regieteam unter Philipp Himmelmann, der diese "Finta" vor vier Jahren auch schon in Bremen erfolgreich vorgestellt hatte.

Die nächsten Termine: 13. und 19. November. Karten u.a. in den Zweigstellen des General-Anzeigers und bei bonnticket.de.

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