Ungewöhnlicher Film in Bonner Brotfabrik Die Bonner Opernsängerin und eine verlorene Liebe

Bonn · Marie Heeschen ist an der Bonner Oper beschäftigt. Gemeinsam mit dem Ensemble Paper Kite hat sie mit „Et in Arcadia Ego“ einen ungewöhnlichen Film gemacht. Es geht um Liebe, um Vergänglichkeit – und um Musik.

Die Bonner Sängerin Marie Heeschen in Leon Landsbergs Musikfilm „Et in Arcadia Ego“ .

Die Bonner Sängerin Marie Heeschen in Leon Landsbergs Musikfilm „Et in Arcadia Ego“ .

Foto: Leon Landsberg

Das leise Knistern der Schallplatte, die sich auf dem Teller des fast fünf Jahrzehnte alten Dual-Plattenspielers dreht, erzeugt eine gewisse Spannung beim Zuschauer. Welche Musik wird man wohl hören, wenn sich die Nadel mit jeder Umdrehung weiter in der Rille vortastet? Zugleich sieht man eine in Weiß gekleidete Frau (Marie Heeschen) einen zusammengefalteten Zettel in einen Spalt schieben, der sich, wie sich später zeigt, an einem alten Gemäldes zwischen Rahmen und Leinwand auftut. Eine geheimnisvolle Botschaft. Es geht, wie wir erfahren werden, um Liebe, Verlassenwerden und Sehnsucht.

Knistern wie von der Schallplatte

Die Musik beginnt in Leon Landsbergs Film „Et in Arcadia Ego“ erst nach knapp anderthalb Minuten Schallplattenknistern und Vogelgezwitscher, das durch die Fenster der dicken Burggemäuer dringt, eine Rolle zu spielen. Leise, von barocken Streichinstrumenten erzeugte Klänge dringen ans Ohr. Dann wird diese Musik dominant werden. Am Ende des kaum länger als eine Viertelstunde dauernden Films wird man eine ganze Kantate des neapolitanischen Komponisten Leonardo Leo (1694-1744) gehört haben.

Burggemäuer, Musik des Barock und der Plattenspieler aus auch schon wieder zu Vergangenheit gewordener Neuzeit sind anachronistische Details, die der sehr poetische Film zum Gestaltungsprinzip erhebt. Vorgestellt wird er am kommenden Dienstag, 12. Juli, 19.30 Uhr, im Kinosaal der Brotfabrik, umrahmt von einem Konzert mit Werken von William Hayes und Alessandro Scarlatti. Die Idee dazu entstand während der Corona-Pandemie, als das Kulturleben im Lande stillstand. Heeschen und das 2013 gegründete Barockensemble Paper Kite, dem außer ihr noch zwei Geiger, ein Cellist und ein Cembalist angehören, wollten ein Musikvideo mit einer ganz eigenen künstlerischen Qualität drehen. Nicht als Marketing-Werkzeug, wie es große Major-Labels gelegentlich vorexerzieren, sondern als eigene Form „künstlerisch nutzen“, wie die an der Bonner Oper engagierte Sängerin im Gespräch erläutert.

Poetische Bilder einer verlorenen Liebe

In Leos Kantate „Vado dal piano al monte“ fanden sie ein geeignetes Stück für ihr Vorhaben. „Der Text beschreibt mehr eine Situation als eine Handlung“, sagt Paper-Kite-Cembalist Felix Schönherr. Es gehe um eine verlorene Liebe, die in poetischen Bildern greifbar werde. „Es ist einer dieser ganz klassischen Kammerkantatentexte, wie man sie auch bei Händel finden kann. Musikalisch ist es interessant, weil die Musik eigentlich einen anderen Text vermuten lassen würde als den, den wir hören.“ Die Worte seien sehr viel düsterer als die Musik. „Diese Spannung hat auch in der Zusammenarbeit mit Leon eine große Rolle gespielt.“

Auf Landsberg war Paper Kite durch die Arbeit des Regisseurs fürs Kölner Schauspiel aufmerksam geworden. Dort hatte er in der Corona-Zeit zusammen mit seiner Kollegin Pınar Karabulut zuletzt die sechsteilige Webserie „Edward II – Die Liebe bin ich“ gedreht. Auch er spricht von dem Kontrast zwischen dem Text und der „lieblichen Musik“. Im Film muss die Musik auch schon mal schweigen. Ein Schweigen, das den Ausdruck beim Schauen dann sogar intensiviert. Um eine konkrete Person geht es in der Geschichte nicht. Die Protagonistin wandelt als anonyme Gestalt ganz in Weiß gekleidet und mit einem Schleier über dem Gesicht durch die Räume des Anwesens. Gedreht wird in oft langen Einstellungen, ein Verweilen, in dem die Sehnsucht nach Liebe und Glück gleichsam mit Händen greifbar wird.

Gedreht auf Burg Disternich nahe Zülpich

Gedreht haben sie „Et in Arcadia Ego“ in der Burg Disternich nahe Zülpich. Das historische Anwesen wird heute von einer Lebensgemeinschaft auf naturnahe Weise genutzt und bewirtschaftet. Regisseur Landsberg und den Musikern erschien das als ein idealer Ort, auch weil sich hier so etwas wie Verfall und Vergänglichkeit inszenieren ließ. Es ist ein Schauplatz, in der Zeiten und Epochen auf engem Raum zusammengedrängt sind, wie in dem Film selbst.

Für Liebhaber barocker Vokalmusik ist der Film auch deshalb interessant, weil Heeschen in ihrer Interpretation des Vokalparts auf eine Handschrift mit originalen Verzierungen zurückgreifen konnte, die das Ensemble bei Recherchen entdeckte und die vermutlich vom Komponisten oder einem seiner Schüler stammen. Heeschen: „Diese Verzierungen zeigen, wie virtuos und frei der Notentext damals interpretiert werden konnte.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCamp Neue Musik zwischen Wohnwagen
Zum Thema
Weniger Autos sind das Ziel
Kommentar zu E-Autos in Bonn und der Region Weniger Autos sind das Ziel
Aus dem Ressort
Molière lebt!
Premiere im Kleinen Theater Bonn Molière lebt!