Das Museum der Zukunft Haus der Geschichte arbeitet auf neue Dauerausstellung hin

Bonn · Zeitzeugen und soziale Medien: Das Haus der Geschichte zeigt mit „#Proberaum“ eine Skizze für die neue Dauerausstellung. Dabei wird in der Lobby ein interaktives Museumsformat ausprobiert.

 Zeitreise in den deutschen Herbst 1989: #Proberaum im Bonner Haus der Geschichte.

Zeitreise in den deutschen Herbst 1989: #Proberaum im Bonner Haus der Geschichte.

Foto: Meike Böschemeyer

„Ich hatte einfach nur Angst“, erzählt eine Frau. Ein Soldat der Grenztruppen erinnert sich, wie plötzlich Kalaschnikows ausgegebnen wurden und sagt „uns ging die Muffe“, vielleicht müsse man auf die eigenen Landsleute schießen. „Mir schossen die Tränen in die Augen“, erinnert sich der Mann, der in den 1950er Jahren in den Westen geflohen war. Die Nachricht vom Mauerfall brachte ihn aus der Fassung. Über den Wolken erfuhr eine Passagierin von den Ereignissen in Berlin: Der Pilot machte eine Durchsage und sagte dann: „Wir fliegen in die Geschichte.“

Der deutsche Herbst 1989 wird durch die Erinnerungen der Zeitzeugen auf dem Monitor plastisch, lebendig und sehr emotional. Bilder der Demonstrationen, von Menschen an der Mauer oder vor den Grenzübergängen runden das Geschichtspanorama ab. So oder so ähnlich könnte das Kapitel Mauerfall und Wiedervereinigung ausstehen, wenn das Bonner Haus der Geschichte 2025 seine völlig neu konzipierte und sortierte Dauerausstellung der Öffentlichkeit präsentiert.

Bevor das Museum völlig ausgeräumt wird und dann einen neuen historischen Parcours erhält, wird derzeit ausprobiert, wie ein Museum der Zukunft aussehen könnte. Unter dem Hashtag „Proberaum“ firmiert eine von vielen Arbeitsgruppen, die auf die neue Dauerausstellung hinarbeiten. „Im Grunde ist das ganze Haus an der neuen Dauerausstellung beteiligt, wir sind in der Konzeptionsphase“, sagt Ruth Rosenberger, Leiterin Digitale Dienste und seit Kurzem Stellvertreterin des Präsidenten der Stiftung, Harald Biermann.

Zeitzeugen berichten von ihren Erfahrungen

Rosenberger ist für den #Proberaum verantwortlich, in dem auf hellblauem Velours in der Lobby bis Mitte 2023 in vier Folgen ein interaktives Geschichtsformat getestet wird. Mit einem Talk der TikTokerin Leonie Schöner wurde eröffnet. „Wir wollten sehen, was wir von den Sozialen Medien lernen können“, sagt Rosenberger.

Der Besucher des Hauses der Geschichte ist aufgerufen, den #Proberaum auszuprobieren. Am besten greift er sich eine von acht Karten, auf denen Fragen wie „Wovor hatten Sie im Herbst 1989 Angst?“, „Wie haben Sie vom Mauerfall erfahren?“ oder „Was haben Sie auf den Demonstrationen gesehen oder gehört?“ Die Karte wird in einen Schlitz eingeführt, worauf auf einem Monitor Zeitzeugen von ihren Erfahrungen berichten. In einer weiteren Station kann sich der Besucher intensiver mit dem einen oder anderen Zeitzeugen befassen.

Insgesamt 40 Zeitzeugen sind zu hören – aus einem Fundus von mehr als 1000 Interviews, die entweder das Haus der Geschichte geführt oder etwa aus dem Fundus des Projekts Gedächtnis der Nation übernommen hat. Mit einer vom Fraunhofer Institut in Sankt Augustin entwickelten Audio-Mining-Software, basieren auf Natural-Language Processing (NLP) wurden die Interviews nach passenden Schlüsselworten durchsucht. Der #Proberaum mit Schwerpunkt auf den Herbst 1989 wird von einem Evaluierungsprogramm flankiert. Besucher werden begleitet, befragt und sollen am Ende den #Proberaum bewerten. Bislang sei das Feedback sehr gut, sagt Rosenberger.

Das Haus der Geschichte ist mit dem #Proberaum Teil des Verbundprojekts „museum4punkt0“, das die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien finanziert und an dem Institutionen wie das Deutsche Historische Museum Berlin, das Deutsche Museum München oder das Auswandererhaus Bremerhaven beteiligt sind. In regenmäßigen Abständen tauscht sich der Verbund über neue Erfahrungen aus.

Der aktuelle #Proberaum läuft bis Mitte September. Es folgt ein #Proberaum mit der Fragestellung: „Warum sind wir kreativ?“ Das Haus der Geschichte greift auf Interviews zurück, die der Filmregisseur Hermann Vaske geführt hat. Der Musik der 1980er Jahre als Medium, um Wünsche und Ängste zu kanalisieren, widmet sich eine weitere Folge des Formats. Schlusspunkt ist die Frage nach der Korrelation zwischen großer Geschichte und individueller Geschichte.

Wie viel Digitales und Interaktives in der zukünftigen Dauerausstellung zu finden sein wird, kann Rosenberger jetzt noch nicht sagen. Auf jeden Fall aber mehr als bisher, „wir müssen mehr junge, digital-affine Besucher ansprechen“. Im Zentrum werden jedoch nach wie vor Objekte stehen – aber „auf die Verbindung zwischen Analogem und Digitalem kommt es an“.

Haus der Geschichte; bis 18. September. Di-Fr 9-19, Sa, So 10-18 Uhr. Eintritt frei. Weitere Informationen: www.hdg.de, www.zeitzeugen-portal.de, www.museum4punkt0.de.

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