Ausstellung Bonner Bundeskunsthalle zeichnet Mythos der Kleopatra nach

Bonn · Ausnahmsweise sei hier der Schluss der Geschichte erzählt. Das dritte Jahrtausend beginnt, wie das erste vorchristliche endete: mit Kleopatra. Madonna steigt 2012 in der Halbzeitpause des Superbowl in Indianapolis als schillernde Material-Cleopatra auf die Bühne, liefert eine atemberaubende neo-ägyptische Show.

Das zweite Jahrtausend endete mit einem als androgyne Kleopatra durch das Video "Remember the Time" wirbelnden Michael Jackson und den Bangles, die mit dem Hit "Walk like an Egyptian" Menschen vom Fensterputzer bis zum Feuerwehrmann animieren, sich wie antike Ägypter zu bewegen. Jede Zeit hat ihr Kleopatra-Bild.

Der Ausgangspunkt, die legendäre Herrscherin Kleopatra VII., setzte im Jahr 30 vor Christus ihrem Leben ein Ende. Die Diva hat uns im Griff. Wie lange das schon geht, mit Kleopatra und uns, wo diese Faszination herkommt, wie und wann der Mythos entstand, darüber erzählt eine großartige Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle.

Die knüpft, was die Güte der Exponate - die von Delacroix und Reni bis Michelangelo, Steen, Makart und Warhol reichen - und die Stringenz des Konzeptes angeht, durchaus mit Sternstunden des Hauses wie Karl V., Vatikan oder Napoleon an. "Kleopatra. Die ewige Diva" ist ein ganz großer Wurf, vorgetragen wie ein leichter, inspirierter und inspirierender Essay über die Kunst, Geschichten und Geschichte zu erzählen.

Der Cineast kommt dabei ebenso auf seine Kosten wie der Freund exzellenter Malerei, wunderschöner Frauen und vertrackter Legenden. Mithilfe einer krassen Geschichtsklitterung wird die ägyptische Königin zum Mythos und später zur - meist nackten - Femme fatale par excellence. "Natürlich starb Kleopatra im königlichen Gewand, als Verkörperung der Göttin Isis, es war der letzte Akt ihrer Herrschaft", sagt die Kuratorin Agneska Lulinska.

Im Entree der Bonner Schau ist die Königin auf einem rekonstruierten Relief aus Dendera im Habit mit ihrem Sohn Ptolemäus zu sehen. Daneben hängt Warhols zauberhafte Blaue Liz (Taylor) als Kleopatra. Ein feiner Hinweis, wo der Hase in dieser Ausstellung langläuft. Allen zeitgenössischen Chronisten zum Trotz, die vom Tode der Herrscherin berichten, hatte die italienische Renaissance, die das Thema Kleopatra nach dem finsteren Mittelalter aufgriff, aber nur Nacktes im Sinn.

[kein Linktext vorhanden]Man hatte gerade die Antike mit ihren wunderbaren Körpern wiederentdeckt. Da erschien es passend, die mächtigste, mit Cäsar, Marc Anton und Octavian verbandelte, reichste und wohl schönste Frau der Antike als Venus, Aphrodite, Lucretia darzustellen. Der Selbstmord durch die Schlange faszinierte Künstler wie Agostino Veneziano, den deutschen Barthel Beham, der 1520/24 für seine Kleopatra auf den durch Dürer eingeführten Typ der Eva zurückgreift, oder den Niederländer Denys Clavaert, der den Schlangenbiss in die blanke Brust mit dem ekstatischen Blick der schönen Königin verbindet.

Die Barockzeit mit ihrer Vorliebe für rauschende Feste, packende, deftige Legenden und prall inszenierte Erotik zelebrierte den Mythos Kleopatra, deren Tod wiederum die Menschen ebenso beschäftigte wie die der Königin angedichtete Nonchalance gegenüber Reichtum.

Dass sie eine sündhaft teure Perle in Essig auflöste und beides trank, beschäftigte Maler wie Tiepolo, Natoire, Maratta, Steen und Schoonjans. Die Schau ist hier mit Meisterwerken aus der halben Welt bestückt, zeigt darüber hinaus Tapisserien aus dem Florentiner Palazzo Pitti. Der barocke Rausch endet in einem Kabinett, wo Meister von Guido Reni bis Jacques Blanchard opulent den Tod der Königin thematisieren - von einer Chaiselongue aus kann der Besucher die schönen Toten bewundern.

Der barocke Überschwang flammt noch einmal Ende des 19. Jahrhunderts in den herrlichen Kolossalgemälden Hans Makarts auf, die antikische Laszivität und Sinnlichkeit mit dem Ennui und Lebensüberdruss des baldigen Fin de Siècle zusammenbringen. Ein Fest der Malerei, der nackten Leiber. Und dann ist Schluss damit.

Das junge Kino greift den Mythos auf, doch die Prüderie Hollywoods verhindert, dass Claudette Colbert, Vivien Leigh und Liz Taylor über die Stränge schlagen, wie der Stummfilmstar Theda Bara es 1917 noch durfte. Die Schau zeigt die Kino- und Theaterstars der Zeit in Film und Foto und Avedons hinreißende Marilyn, die 1958 als Theda Bara posiert und 1963 im Gespräch für die Kleopatra-Rolle in Mankiewicz' berühmtem Film war. Liz Taylor bekam letztlich den Zuschlag. Sie ist es auch, die als geradezu verlöschende silberne Liz von Andy Warhol den beglückten Besucher entlässt.

Bundeskunsthalle, Friedrich-Ebert-Allee 4; bis 6. Oktober. Di, Mi 10-21, Do-So 10-19 Uhr. Katalog (Hirmer) 32 Euro

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