Mit dem Shuttle zur Kunst Bonner Galerien und Kunstmuseen legen gemeinsamen "SaisonstART" hin

BONN · Eine Traube Kunstfreunde steht am Samstag hinterm Kunstmuseum. Regenjacke, festes Schuhwerk, Schirm, es riecht nach Wandertag. Punkt 14 Uhr rauschen wie aus dem Nichts zwei schwarze Kleinbusse heran. Der erste Bonner "SaisonstART" kann beginnen, 17 Bonner Galerien und Institutionen warten darauf, erobert zu werden: Route eins klappert die Nordstadt ab, Route zwei führt nach Bad Godesberg.

Eine Entdeckung: Robert Rudigier in der Galerie Andreae.

Eine Entdeckung: Robert Rudigier in der Galerie Andreae.

Foto: Franz Fischer

Ich wähle die Zwei. Aufgeregtes Schnattern im Shuttle, Vorfreude, ein Hauch von Klassenfahrt. Was so daneben nicht ist, denn die erste Station ist die ehemalige Bad Godesberger Grundschule an der Paul-Kemp-Straße. Judith Andreae hat im etwas neueren Trakt ihre Galerie eingerichtet, begrüßt die Kunstwanderer.

Aus der Kuratorin Arta Valstar-Verhoff sprudelt Wissenswertes, der Künstler Robert Rudigier, der mit seinem Hütchen aussieht wie James Belushi von den "Blues Brothers", schüttelt Hände. Ein cooler Typ, fast 50, hat erst vor vier Jahren in München ein Akademiestudium begonnen, immerhin bei so erlesenen Figuren wie Günther Förg, Thomas Scheibitz und Pia Fries. An der Wand sehen wir großformatige, suchende, mutige, teils abstrakte, farblich aggressive Malerei, nicht jedes Bild ein Treffer, aber viel Talent und Potenzial. "Eine Entdeckung", so das Fazit im Shuttle zur nächsten Station, der Galerie von Carla Reul in der Dürenstraße.

Die Shuttle-Gemeinde lässt ein bewunderndes "Oh!" vernehmen: Die wunderbar sanierte gründerzeitliche Villa - zwischenzeitlich Botschafterresidenz des Niger - macht Eindruck, Carla Reuls Programm auch. Andrea C. Hoffer zeigt Bilder, die sich nicht so leicht verorten lassen. Die Raumgrenzen ihrer Interieurs sind nicht klar definiert, im fernöstlichem Dekor übersäte Tapeten scheinen durchlässig, Licht- und Farberscheinungen wirken dagegen kompakt.

Die in Düsseldorf und Tobago lebende Malerin verzaubert gleichermaßen mit ihrer oszillierenden Bildwelt wie mit ihrer herausragenden Technik. Die Jury im Shuttle der Linie zwei hat auf dem Weg zurück zum Kunstmuseum viel zu besprechen. Natürlich sind die erlesene Garderobe und Erscheinung der Galeristin sowie die herrlichen Stuckdecken in der Villa ein Thema.

Doch dann geht's zur Kunst. Hoffer hat alle begeistert, mehr als der wilde Rudigier, der ja auch zu seiner Liebe zum Punkrock gesprochen hatte. "Eine Steigerung", heißt es. Preislich liege sie ja auch in einer anderen Sphäre. Jeder hat im Gespräch mit der Künstlerin etwas aufgeschnappt. Das wird jetzt ausführlich diskutiert. Kunst ist auch Reden, Debattieren, ein sozialer Akt.

Am Kunstmuseum dann ist Warten angesagt. Kein Shuttle für die Nordtour da. Irgendwann geht es weiter. Der Bus setzt uns dort ab, wo Kessenich besonders eng ist, in der Mechenstraße. Wir betreten die Galerie "Das Esszimmer" durch einen Raumschlauch, in dem die in Zürich und London beheimatete Liliane Freiermuth gemalte Reiseimpressionen und schriftliche Notizen drapiert hat. Schweizer Galeristin reicht.

Man hätte sich noch gerne mit dem Patio und dem fantastischen, vom Zürcher Architekten Hans Drexler gebauten Haus der Galeristin Sibylle Feucht befasst: ein ungeahntes Juwel. Aber die Zeit drängt, ich liege schon längst nicht mehr im Plan. Der Shuttle nimmt uns an der Hausdorffstraße an Bord, es geht in Richtung Lotharstraße und natürlich um die Kunst im Esszimmer. Grübeln, Kopfschütteln - meine Begeisterung wird nicht geteilt.

Die Kunstgaleriebonn ist die nächste Station. Man läuft durch eine Baustelle - hier errichtet Uwe Schröder ein Galeriehaus der Superlative, das im kommenden Jahr eröffnet wird. Seine Schwester Gisela Clement, die mit Michael Schneider die Kunstgaleriebonn leitet und gemeinsam mit Nicola Weppelmann vom Verein der Freunde des Kunstmuseums den "SaisonstART" organisiert hat, hat sich für ihre Räume in der Villa Faupel Kindergewusel gewünscht.

Zu sehen ist der farbenfrohe Dialog von Stephen Westfalls Streifen- und Rhombenbildern mit Polly Apfelbaums bunten "Feelies" aus Plastilin und Polymer-Ton. Die jungen Teilnehmer des Kinderprogramms KUKI haben sich von den "Feelies" inspirieren lassen. Es gibt Donuts und Bagels, die Galerie ist brechend voll - wie überhaupt alle Stationen sehr gut besucht sind - eine Stimmung wie beim Kindergeburtstag. Auch hier drängt die Zeit leider zum Aufbruch.

Am Hochstadenring muss eine Entscheidung gefällt werden, denn das ganze "SaisonstART"-Pensum ist nicht zu schaffen. Ich lasse die Gesellschaft für Kunst und Gestaltung mit ihrem interessanten Stadtkunst-Projekt, die Semikolon-Leute im Künstlerforum mit der spannenden Ausstellung "Transitorisch" und die Videonale im Kunstverein links liegen - habe ich schon gesehen. Der Weg führt in den Kunstraum 21, wo Hans Vetter an den 1993 verstorbenen Achim Duchow erinnert, und damit an die Bonner Ära des Galeristen Erhard Klein, der Duchow im Programm hatte.

"Ich bin ein derart schlechter Maler, dass ich sogar Stipendien bekam, um ja nicht zu malen", steht auf einem Bild dieser sehenswerten Schau. Wild und unbequem geht es im "Kunstversorgungsquartier" namens "S.Y.L.A.NTENHEIM" in der Maxstraße zu. Die Maler Demeco & Pasquale und Florian Teichmann sind dort zur Kunstfigur Nairol Elauqa verschmolzen und stellen gemeinsame düstere Malerei vor. Licht und schwerelos-filigran geht es hingegen in der Zeichen- und Collagenkunst von Einat Amir im Raum für Kunst und Natur in der Eifelstraße zu. Galeristin Cornelia Genschow hat die Israelin zu einer dreiwöchigen Residenz eingeladen, in Bonn zeigt sie nun die sehenswerten Ergebnisse ihrer Recherchen.

Verstörende Bilder verstümmelter und vernähter Frauen von Annegret Soltau im Frauenmuseum und Julian Sanders Ausstellungsdoppel mit dem Teil fünf von August Sanders Fotozyklus "Menschen des 20. Jahrhunderts" und dem ambitionierten Workshop für junge Sammler schließen den atemlosen Parcours "SaisonstART" ab. Von Sanders Galerie FEROZ in der Prinz-Albert-Straße gibt es kein Fortkommen mehr. Der Shuttle hat mich vergessen.

Im Showdown im Kunstmuseum, das ich mit der U-Bahn erreiche, glückliche Galeristen und Gäste, ein aufgeräumter Rein Wolfs, der Intendantenführungen in der Bundeskunsthalle angeboten hat, und ein Hausherr Stephan Berg, der freudig eine positive Bilanz zieht und von einem "Format mit Zukunft" spricht. Nur am Shuttle-System sollte noch gearbeitet werden.

Alle Adressen unter www.saisonstart-bonn.de.

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