Bonner Konzerte: Alles schläft, er ist wach

Verschiedenste Konzerte fanden am vergangenen Wochenende in Bonn und Umgebeung statt: Kiri Te Kanawa in Köln, Jan Plewka im Telekom Forum, Signum Quartett und Brückentanz-Zeit in Bonn.

Kölner Oper. Einen Liederabend im Kölner Opernhaus hat es seit Jahren nicht mehr gegeben. Für Dame Kiri Te Kanawa kam man jetzt noch einmal auf diese Tradition zurück. Aus besonderem Anlass. Die neuseeländische Sopranistin war in diesem Monat zu Gast in Köln, um mit der "Rosenkavalier"-Marschallin ihren definitiven Abschied von der Opernbühne zu nehmen. Recitals will sie aber weiterhin geben, Gott sei Dank.

Mozart und Strauss prägten nun auch die ersten Liedgruppen. Bereits Mozart, der natürlich von allen möglichen Seiten her angegangen werden kann, profitierte davon, dass in Kiri Te Kanawas Gesang eine natürliche Noblesse mitschwang, die sich auch in der Erscheinung der Sängerin ausdrückte. Von aristokratischer Distanz konnte indes nicht die Rede sein.

Im Gegenteil: die Künstlerin begann mit einer persönlichen Ansprache und nahm auch später mehrfach Gelegenheit, mit dem Publikum zu plaudern, herzlich, direkt, aber ohne Anbiederung. Das Finale leiteten einige Opernarien ein, darunter Mariettas Lied zur Laute aus der "Toten Stadt" von Erich Wolfgang Korngold. "Glück, das mir verblieb" - so empfand es fraglos auch das jubelnde Publikum.

Telekom Forum. "Stiller Raum, stille Nacht, alles schläft, ich bin wach." Gebrochen und pathetisch hallen die Worte zu Beginn von Jan Plewkas Tribut an Rio Reiser durch das Telekom Forum. In der Tat ist es mucksmäuschenstill, und das Publikum in einen Bann geschlagen, aus dem es sich zwei Stunden lang nicht mehr befreien wird.Kurze Zeit später hat es sich dann erledigt mit der Stille: "Ihr kriegt uns hier nicht raus! Das ist unser Haus", klingt es aus sechshundert von Plewka dirigierten Publikumskehlen. "Halleluja, der Turm stürzt ein", heißt es an anderer Stelle. Oder: "Keine Macht für niemand!" Mehr antikapitalistische Aufbruchsstimmung gab es nie an diesem Ort.

Die Aktualisierung der Stücke Rio Reisers gelingt zum einen dank ihrer makellosen musikalischen Umsetzung. Plewka, mit Glatze, Vollbart und weißem Flatterhemd, singt mit Gefühl, endlosem Charisma und einer überragenden stimmlichen Präsenz. Ebenso überzeugt seine Band, die Schwarz-Rote Heilsarmee. Ihre Arrangements beweisen an den richtigen Stellen mit ungewöhnlichen Instrumenten, brillanten Soli und bei "Junimond" auch mit Reggae-Rhythmen Mut zur Verspieltheit, rocken an anderen richtigen Stellen aber auch einfach kraftvoll und präzise nach vorne.

Kammermusiksaal. Der Eyjafjallajökull war schuld. Der Ausbruch des isländischen Gletschervulkans hatte den europäischen Luftverkehr lahmgelegt und war auch die Ursache dafür, dass das Nash Ensemble nicht mehr rechtzeitig zu seinem Bonner Konzert anreisen konnte. In die Bresche für das renommierte Ensemble sprang kurzfristig das Signum Quartett, das schließlich das siebte Kammerkonzert des Beethoven Orchesters im Kammermusiksaal des Beethovenhauses übernahm.Doch war dies alles andere als eine "Notlösung". Glück im Unglück schien es vielmehr zu sein, dass die vier Musiker den Weg nach Bonn gefunden hatten, erwiesen sie sich doch als äußerst glutvoll und enthusiastisch aufspielende Vertreter ihrer Kunst. Am deutlichsten wurde dies bei Robert Schumanns A-Dur Quartett, das mit einer harmlosen, fast beiläufigen Floskel begann. Doch was dann folgte, war ein Musterbeispiel für perfekt aufeinander abgestimmtes Ensemblespiel.

Die vier Musiker spielten mit einer stellenweise atemberaubenden, vor Intensität schier zu berstenden Spannung, die zuweilen - etwa im zweiten Satz - geradezu ekstatisch-apotheotische Züge annahm. Nicht weniger aufwühlend war vor der Pause das Streichquartett von Claude Debussy. Hier boten Kerstin Dill und Annette Walther, Violine, Xandi van Dijk, Viola, und Thomas Schmitz, Violoncello, Subtilitäten vom Feinsten.

Brückenforum. Wenn sich an einem Frühlingsabend im Brückenforum eine größere Zahl Menschen in mittelalterlicher Gewandung, wallenden Kleidern, Lack und Leder trifft, ist Brückentanz-Zeit. Das Festival mit seiner Mischung aus Mittelalter- und Gothic-Rock erwischt dieses Jahr einen holprigen Start: Nicht nur, dass der zweite Festivaltag ausfallen muss, die Halle ist zu Beginn des Konzerts auch gerade zur Hälfte gefüllt.Dennoch lässt die Stimmung wenig zu wünschen übrig, und das, obwohl die eröffnenden Folkrocker Galahad trotz ihrer 25-jährigen Erfahrung mit jeder Menge schiefen Tönen zu kämpfen haben. Glücklicherweise hat sich die Band nicht nur Spielfehler, sondern auch Begeisterung bewahrt, die sich zumindest in Teilen auf das Publikum überträgt.

In einer vollkommen anderen Liga spielen Die Irrlichter. Auf einem beeindruckenden Inventar älterer und neuerer akustischer Instrumente zelebriert das äußerst versierte Bonner Sextett ein spannendes, viele Jahrhunderte umfassendes Repertoire in ebenso tanzbaren wie eingängigen Arrangements. Die finalen Saltatio Mortis gehören zu den erfolgreichsten Mittelalter-Rockern Deutschlands, was sie jedoch nicht davon abhält, um jeden einzelnen Festivalbesucher zu kämpfen. Insbesondere ihr bunthaariger Frontmann Alea singt blendend.

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