Bonner Konzerte am Wochenende

WDR Bigband gibt sich in der Endenicher Harmonie "Very Personal" - Cristóbal Repetto: Tango wie zu Omas Zeiten - Henny Walden und die "Goldenen Zwanziger" im Landesmuseum - Chur Cölnischer Chor in St. Remigius - Kammerchor in der Erlöserkirche

  Das Glenn Miller Orchestra  machte auf seiner großen Europatournee auch im Beueler Brückenforum Station. Das Publikum erlebte mitreißende Musik der Swing-Ära.

Das Glenn Miller Orchestra machte auf seiner großen Europatournee auch im Beueler Brückenforum Station. Das Publikum erlebte mitreißende Musik der Swing-Ära.

Foto: Müller

Harmonie. "Very Personal" heißt das Programm mit der die Kölner WDR Big Band jedes Jahr durch die Musikclubs tourt. Mit der Ausgabe 2006 schaute der 18-köpfige Klangkörper unter Leitung des Chefdirigenten Michael Abene jetzt in der Endenicher Harmonie vorbei und spielte (wie immer) vor einem vollen Haus.

Die "Very Personal-Produktionen" der renommierten Band zeichnen sich aus durch ein sehr persönliches Musikprogramm: fast ausschließlich Eigenkompositionen beziehungsweise außergewöhnliche Arrangements einzelner Bandmitglieder.

Diesmal kam allerdings noch etwas hinzu: einige Musiker traten im Duo oder in kleinen Formationen auf, was das Repertoire noch interessanter machte. So zum Beispiel das Duo Dave Horler (Posaune) und Paul Heller (Saxophon), die den bunten Reigen mit ihrem Werk "Snapshot" virtuos eröffneten.

Knackig, groovig und rhythmisch sehr betont erklang später der Song "Bitch in the Box" bei dem sich Bassposaunist Mattis Cederberg und Baritonsaxophonist Jens Neufang als Solisten profilierten.

Zuvor hatte sich bereits Karoline Strassmayer durch ein beseeltes Saxophonsolo bei "Crazy He Calls Me" hervorgetan.

Von Paul Robert

Harmonie. Zeitreisen sind möglich. Wer an dieser These zweifelt, hätte sich lediglich in der Endenicher "Harmonie" einfinden müssen, um sich dort ganz auf sein Gehör zu verlassen.

Dieses teilte dem Zuhörer nämlich mit, dass er eine alte Grammophonaufnahme aus den 20ern höre, wohingegen seine Augen ihn darin bestätigten, tatsächlich Musiker auf der Bühne zu erkennen, die diese Klänge im Hier und Jetzt produzierten.

Folglich musste dieses Hier und Jetzt vor achtzig Jahren sein. Vor achtzig Jahren und in Buenos Aires - kein Zweifel.

Verantwortlich für diese erstaunliche Erkenntnis war ein 24jähriger Argentinier mit Namen Cristóbal Repetto, ein junger Altmeister des gesungenen Tangos, mit dem Aussehen eines verwegenen Latin-Lovers und einer Stimme, die, leicht kehlig, hoch und mit viel Vibrato, imstande ist, sämtliche für den Tango so wichtigen Emotionen zu intonieren.

Diesen Sound kennt man wirklich nur noch von alten Platten und die begleitenden Musiker hatten sich auf diese Anforderungen eingestellt: Drei leicht gegeneinander verstimmte Gitarren, bei denen offenbar bewusst darauf geachtet wurden, dass sie nur ein eingeschränktes Frequenzspektrum abdeckten, um dem Klang der 20er nahe zu kommen, und eine echte "Stroh-Geige", gefühlvoll und glissandolastig gespielt von Javier Casalla.

Von Stefan Strötgen

Landesmuseum. "Hier werde ich mein Herz verlieren", schreibt Henriette "Henny" Walden, geborene Wuttke, in ihr Tagebuch, kurz nachdem sie im Jahre 1918 Neuruppin verlassen hat und in Berlin angekommen ist.

Ihr Herz verliert sie in den folgenden Jahren mehrfach, die Liebhaber heißen Harry, Alfred, Paul, Kurt. "Mein Lebenswandel ist nicht mehr so tadellos", vertraut sie wenig später ihrem Tagebuch an.

Da ist ihr ursprünglicher Plan, Lehrerin zu werden, in den hitzigen "Roaring twenties" in Berlin bereits verglüht. Henny wird zur verführerischen Soubrette aufsteigen, die es bis in Brechts "Dreigroschenoper" schafft.

Im Vortragssaal des Rheinischen Landesmuseum schlüpfte die glänzende Bettina Dorn in die Rolle der Henny Walden, las aus dem Tagebuch und sprach Liedtexte, das Bläserquintett "Quint Olé" legte mitreißende Spiellaune an den Tag und erweckte den Zeitgeist der "Goldenen Zwanziger" mit Werken von Paul Hindemith, Scott Joplin, Jacques Ibert, Kurt Weill und anderen zum Leben.

Rumba, Ragtime und Charleston weckten Bilder vom turbulenten Treiben auf irgendeiner Tanzfläche. Henny Walden trifft die Großen ihrer Zeit, Tucholsky, Benn, Brecht, Lasker-Schüler.

Doch nach zehn Jahren ist Henny ausgebrannt. "Ich habe etwas zu sagen, aber ich finde es nicht mehr", notiert sie. Übrigens - Eine Henny Walden hat es nie gegeben. Auch das eine Illusion.

Von Mathias Nofze

St. Remigius. Nur ein paar Tage nach Haydns Oratorium der "Sieben letzten Worte" kam ein weiteres heute kaum mehr bekanntes oratorisches Werk in St. Remigius zur Aufführung: Heribert Beissel und seine beiden Ensembles, Chur Cölnischer Chor und Klassische Philharmonie, hatten die sogenannte Brockes-Passion Georg Philipp Telemanns erarbeitet, die er 1712 in seiner Frankfurter Zeit komponiert hatte.

Anders als die Passionen Bachs, die auf den wörtlichen Bibeltexten basieren, schildert der Barock-Dichter Barthold Hinrich Brockes die Geschehnisse in einer - stark gekürzten - Nachdichtung.

Die Art der Musikalisierung durch Telemann ist dabei sehr viel knapper gehalten als die der Bachschen Passionen und dennoch von großer Ausdruckskraft. In den dramatischen Turbae-Chören leistete der Chur Cölnische Chor, unter dem wie stets suggestiven Dirigat Beissels, Großartiges, ebenso wie in den innigen und schlichten Choral-Strophen.

Auch die Klassische Philharmonie trug durch ihre fein abgestufte Klanggebung ihren Teil bei.

Ein Glücksfall für die Aufführung war die lyrische und textprägnante Gestaltungsweise Klaus Schneiders (Tenor) als Evangelist, ebenso der edle und ausdrucksstarke Bass Sea-Kwan Ahns als Christus.

Cordula Berners Sopran gefiel nach unruhigerem Beginn immer mehr. Bruno Michalkes noch nicht ganz ausgereifter Tenor verlieh Petrus, Judas, Kaiphas und Pilatus eine Stimme. Am Ende viel Beifall aus dem brechend vollen Kirchenraum.

Von Barbara Kaempfert-Weitbrecht

Erlöserkirche. Mit romantischer Chormusik zur Passionszeit gestaltete der Bonner Kammerchor unter seinem neuen Leiter Philipp Ahmann die musikalische Vesper in der Godesberger Erlöserkirche.

Trotz der recht trockenen Akustik entfaltete man einen runden Klang, der durch Üppigkeit und Wärme bestach. Brahms' Motetten op. 110 kamen so in ihrer ganzen Klangpracht zur Entfaltung und blieben bei allem Augenmerk auf die äußere Fassade auch in den Binnenstimmen des vielstimmigen Satzes stets durchöhrbar.

Was bei Brahms die transparente Gestaltung, war in zwei aus den "Acht geistlichen Gesängen" aus op. 138 von Max Reger die ungeheure harmonische Expressivität, mit der der Bonner Kammerchor zu Werke ging.

Regers Kühnheiten nahm man ebenso mit Bravour wie dessen große dynamische Variabilität. Die geriet auch in zwei Passionsmotetten von Anton Bruckner beeindruckend, gerade "Christus factus est" gestaltete Ahmann mit großen Bögen und innigem Ausdruck.

Überwiegend betrachtend und zurückhaltend gestaltete sich das Stabat mater des Schubert-Zeitgenossen Franz Lachner. Man gestaltete das wohl zu Unrecht relativ unbekannte Werk mit großer Abgeklärtheit und viel Brio.

Abgerundet wurde das Programm durch zwei aus den Sechs Sprüchen zum Kirchenjahr von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Von Guido Krawinkel

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