Indianische Perspektiven Bonner Kunstverein präsentiert den Kanadier Brian Jungen

BONN · Drei riesige Totempfähle empfangen den Besucher im zentralen Kabinett des Bonner Kunstvereins. Gebaut sind sie aus fabrikneuen aufgeschlitzten und neu kompilierten Golftaschen, die hoch aufgerichtet wie martialische Rüstungen aussehen.

Die toten Augen: Der kanadische Künstler Brian Jungen hat aus zerlegten Baseball- und Softball-Bällen einen Schädel gebaut.

Foto: Franz Fischer

Hier und da erscheinen Taschen-Details wie Masken, die den Besucher wahlweise böse anstarren oder ihm die Zunge herausstrecken. "In Kanada weiß jeder, was das Ganze bedeutet", verrät Brian Jungen. In Bonn noch nicht. Man ahnt es aber.

Und hier sind wir schon mitten im Transfer von spezifischen Geschichten und Kulturtechniken, von indigenen Mythen und nationalen Codes, denen sich der Kanadier Jungen verschrieben hat. Wobei er sich auch jenseits einer inhaltlichen Verankerung einer quasi universellen Sprache der Skulptur bedient.

Brian Jungen, in Vancouver lebender Sohn einer Angehörigen des Indianerstammes der Dunne-za und eines Schweizers, greift in seinem Werk häufig Indianerklischees auf, verwendet etwa kunsthandwerkliche Techniken seiner Vorfahren, erinnert an Kultisches - immer im Bewusstsein, dass sie der Erwartungshaltung des "Weißen Mannes" entsprechen. Was früher Kult war, ist zur bunten, touristisch kompatiblen Folklore geworden.

Der heute lebende Indianer als Fall fürs Freiluftmuseum, für die ethnologische Abteilung. Folgerichtig hat der 43-jährige Künstler seine in Kooperation mit dem Kunstverein Hannover organisierte Schau in Bonn museal eingerichtet: Exponate auf Sockeln und unter Glasstürzen, hier und da museumspädagogisch wertvolle Arrangements, Analogien und Gedankenbrücken. Selten kam der Kunstverein so didaktisch daher. Jungen spielt mit dieser Attitüde.

Er "erzählt" vom Zustand seiner indianischen Nation, ohne die Drastik des Cherokees Jimmie Durham oder die Anklage vieler Dokumentaristen. Jungen wahrt eine ästhetische Distanz - ohne dabei unscharf zu werden.

Die drei Totempfähle werde jeder Kanadier sofort mit der Oka-Krise zusammenbringen, sagt Jungen, ein traumatisches Ereignis in der Geschichte der Mohawk. 1990 wollten Bürger der Gemeinde Oka in der kanadischen Provinz Quebec auf dem Stammes-Territorium der Mohawk einen Golfplatz errichten. Stammesmitglieder errichteten Barrikaden, der Konflikt eskalierte, ein Polizist starb dabei, die Armee rückte an. 78 Tage dauerte die Krise. Erst 1997 wurde den Indianern das Gebiet durch die kanadischen Behörden zugesprochen. Erst 1960 war ihnen das Wahlrecht zuerkannt worden - darauf weist einer der Titel zu den Totempfählen hin.

Jungen lässt bei diesen hoch aufgerichteten Stelen die Silhouette des archaischen, kultischen Pfahls der Indianer mit dem Symbol für das Ansinnen der Bürger von Oka - High-Tech-Golftaschen - zu einer neuen, hybriden Form verschmelzen.

Eine Methode, die sich in der Ausstellung immer wieder findet, ob europäische Stuhlikonen von Saarinen oder Eames mit Trommelfellen aus Elchleder verzurrt werden, Kotflügel von Trabis, Audis und VWs kunsthandwerklich veredelt erscheinen oder Trikots der National Football League in Streifen geschnitten und mittels indianischer Flechttechnik zu Decken verwoben werden. Jungen lässt Secondhand-Kultur auf Folklore treffen, streift in einer Installation ziemlich raffiniert das Thema Alkoholismus in Reservaten.

Doch eines fehlt in Bonn: der subversive Witz von Kassel. Bei der documenta 13 im vergangenen Jahr hatte Jungen in der Karlsaue einen gut frequentierten Hundeparcours mit wöchentlicher Hundeschule aufgebaut. Jungens "Dog Run" gilt als einer der Hits der Weltkunstschau, die bald zur "Dogumenta" umgetauft wurde; das Portal Youtube bietet eine schöne Dokumentation.

Bonner Kunstverein, Hochstadenring 22; bis 2. Februar. Di-So 11-17, Do 11-19 Uhr. Eröffnung: heute, 19 Uhr. Künstlergespräch morgen, Samstag, 15 Uhr: Brian Jungen spricht mit René Zechlin und Christina Végh. Vortrag "Indianische Ureinwohner heute" von Dagmar Jung am 12. Dezember, 19 Uhr