1,25 Millionen Euro NRW-Fördergelder Bonner Oper erinnert an vergessene Bühnenwerke

Bonn · Mit den Fördergeldern des Landes will die Bonner Oper über drei Jahre wenig bekannte Opern auf die Bühne bringen und zugleich erforschen, warum sie nach dem Krieg keine Chance hatten, auf die Spielpläne zurückzukehren.

 Bonner Wiederentdeckung: Manuela Uhl und Endrik Wottrich in Walter Braunfels’ „Der Traum ein Leben“.

Bonner Wiederentdeckung: Manuela Uhl und Endrik Wottrich in Walter Braunfels’ „Der Traum ein Leben“.

Foto: Thilo Beu/Barbara Aumüller

Walter Braunfels war ein erfolgreicher Komponist, als er 1925 zum Gründungsdirektor der Kölner Musikhochschule berufen wurde. Sehr lange behielt er den Posten nicht. Unmittelbar nach der Machtergreifung 1933 wurde der verdiente Musiker von den Nazis geschasst, weil er „Halbjude“ war. Er zog sich in sein Haus in Bad Godesberg zurück und begann, eine Oper zu komponieren: „Der Traum ein Leben“. Der legendäre Dirigent Bruno Walter wollte sie 1938 in Wien zur Uraufführung bringen. Doch daraus wurde nichts. Die Premiere fiel dem „Anschluss“ Österreichs zum Opfer. Als die Oper Bonn 2014 mit dieser wunderbaren Märchenoper mit dem Dreamteam Will Humburg (Dirigent) und Jürgen R. Weber (Inszenierung) – es war nach Regensburg 2001 die zweite Inszenierung überhaupt – an den Start ging, wurde Braunfels’ Werk von Publikum und Kritik regelrecht gefeiert.

In Bonn haben sie ein feines Gespür für solche Ausgrabungen entwickelt. Oftmals sind es Werke, die es wie die Braunfels-Oper gar nicht erst auf die Bühne schafften oder deren Siegeszug 1933 abrupt ausgebremst wurde. Nach 1945 fanden sie lange nicht mehr ins Bühnenleben zurück. Dass die Bonner Oper sich sich in der Vergangenheit um solche vergessenen Meisterwerke verdient machte, wird nun vom Land Nordrhein-Westfalen mit einem besonderen Förderprogramm belohnt, das in die Zukunft weist: Mit einer Summe von insgesamt 1 245 446 Millionen Euro wird das Theater Bonn in den kommenden drei Spielzeiten aus dem NRW-Programm „Neue Wege“ finanziell unterstützt. Von den landesweit insgesamt fünfzehn ausgewählten Programmen erhält das Theater Bonn demnach die zweithöchste Fördersumme. „Ich bin sehr stolz darauf“, sagt Generalintendant Bernhard Helmich, „ich empfinde das als eine Auszeichnung. Auch weil wir damit unsere Linie fortsetzen und weiter intensivieren können.“ Man habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten Stücke auch beim Publikum gut angekommen seien.

„Fokus 33“ im Blick

Die für die kommenden drei Jahre mit der Fördersumme geplanten Produktionen und Projekte stehen unter der Reihen-Überschrift „Fokus 33“. Dabei dreht sich alles um Werke, die nach 1933 oder ab 1945 aus den Spielplänen verschwanden oder in diesem Zeitraum erst entstanden und zur Uraufführung gelangten. Die kreatiiven Köpfe hinter dem Konzept sind Operndirektor Andreas K. W. Meyer und Theaterpädagogin Rose Bartmer.

Den Unterititel der Reihe benennt Meyer so: „Forschungsreihe zu den Ursachen vom Verschwinden und Verbleiben.“ Darin wolle man einmal gründlich untersuchen, woran es liegt, dass manche Stücke 1933 und 1945 überdauert haben und andere wiederum völlig dem Vergessen anheim fielen. Spannend auch, warum ein Nachkriegsstück wie Rolf Liebermanns „Leonore 40/45“, das in der kommenden Saison in Bonn zur Aufführung kommen wird, folgenlos blieb. Erzählt wird in dieser „Opera semiseria“ die Geschichte eines deutsch-französischen Liebespaars in der Zeit vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bis 1947. „Warum tat man sich in dieser Zeit mit einer komischen Oper so schwer?“, fragt Meyer. „Da muss man in Deutschland endlich einmal anfangen, einen ganz gewichtigen Teil der Musikgeschichte zu befragen. Nämlich: Wie haben sich die Siegermächte nach 1945 in der Förderung der Kultur verhalten?“ In diesem Zusammenhang wolle man auch der Frage auf den Grund gehen, warum die bei den einflussreichen Darmstädter Ferienkursen gepflegte Avantgarde, die in den 1950er und 1960er Jahren vor allem durch Komponisten wie Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez und Luigi Nono geprägt wurden, so viel Unterstützung erhielt, während andere Strömungen regelrecht blockiert wurden. Meyer: „Es war der Versuch, durch eine abstraktere Kunst oder Musik, die Deutschen von ihrer Gefühligkeit, die wesentlich zum Nazismus beigetragen hatte, wegzukriegen.“

Die Musikwissenschaft ist auch mit im Boot

Inwieweit sich solche Thesen erhärten lassen, soll ein umfangreiches Rahmenprogramm klären, das von Liederabenden und Konzerten das Umfeld ästhetisch absteckt, bis zu Vorträgen und einem musikwissenschaftlichen Symposium reicht, das die Oper zusammen mit der Bonner Uni plant. Darin wird es auch um den kulturpolitischen Einfluss der Siegermächte gehen. Um die Aktivitäten des vom CIA unterstützten „Kongress für kulturelle Freiheit“ (Congress for Cultural Freedom, CCF) in der bildende Kunst wisse man heute sehr gut Bescheid, sagt Bartmer: „In der Musikgeschichte ist das noch gar nicht aufgearbeitet worden.“ Auch in vielfältigen Education-Programmen, an die auch Schulen beteiligt werden sollen, will man die Thematik aufarbeiten.

„Wir wollen auch aufzeigen, wie unterschiedlich die verschwundenen Werke sind“, ergänzt Bartmer. Tatsächlich zeigt die Reihe der für das Programm „Fokus 33“ geplanten Neuinszenierungen in den kommenden drei Spielzeiten eine bemerkenswerte Bandbreite: Neben Liebermanns „Leonore 40/45“ kommen Giacomo Meyerbeers „Ein Feldlager in Schlesien“, Arnold Schönbergs „Moses und Aron“, Richard Strauss’ „Arabella“ (außerhalb der Förderung), Clemens von Franckensteins „Li-Tai-Pe“, Alberto Franchettis „Asrael“, Franz Schrekers „Der singende Teufel“ und Kurt Weills „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ in neuen Inszenierungen heraus. „Bislang haben wir solche Ausgrabungen nur einzeln machen können“, sagt Bartmer. „Es ist jetzt das erste Mal, dass wir einen Bogen über einen so langen Zeitraum spannen können.“ Und das Beste: Es gibt Aussicht auf Verlängerung.

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