Bonns Generalmusikdirektor dirigiert die "Grande Symphonie"

Er ist beim Beethovenfest offenbar der Mann fürs Gigantische: Stefan Blunier, Bonns Generalmusikdirektor, hatte im letzten Jahr beim Festival Mahlers achte Sinfonie, die sogenannte "Sinfonie der Tausend", dirigiert, diesmal befehligte er in der Beethovenhalle bei der "Grande Symphonie funèbre et triomphale" von Hector Berlioz schätzungsweise zweieinhalb Hundertschaften.

Bonn. Er ist beim Beethovenfest offenbar der Mann fürs Gigantische: Stefan Blunier, Bonns Generalmusikdirektor, hatte im letzten Jahr beim Festival Mahlers achte Sinfonie, die sogenannte "Sinfonie der Tausend", dirigiert, diesmal befehligte er in der Beethovenhalle bei der "Grande Symphonie funèbre et triomphale" von Hector Berlioz schätzungsweise zweieinhalb Hundertschaften.

Auf der Bühne versammelten sich das Beethoven Orchester, das Musikkorps der Bundeswehr Siegburg und der Philharmonische Chor - da kommt schon was zusammen. Jenseits des Massenaufwands bleibt trotzdem die Frage, ob ein einziger Auftritt des Beethoven Orchesters beim heimischen Festival mit seinen immerhin 67 Konzerten angemessen ist.

Wie auch immer: Blunier hatte mit der Berlioz-Wahl seiner Entdeckerfreude und seinem Hang fürs Außergewöhnliche wieder freien Lauf gelassen. Das Werk, 1840 zum zehnten Jahrestag der Juli-Revolution geschrieben, steht ganz in der Tradition der französischen Regiments- und Revolutionsmusik, gibt sich in seiner sinfonischen Dreiteilung - Trauermarsch, Trauer-Ansprache und Apotheose - weniger tiefgründig als plakativ, ist mit breitem Pinsel gemalt; die Berlioz-Devise - "Je simpler der Plan, umso besser" - schimmert allenthalben durch.

Für die militärisch-zivile Streitmacht auf der Bühne war Blunier der ideale Klang-Stratege, speziell die gut abgestimmte Bläser-Formation stellte den zwar harmonisch reichen, aber einfach nicht enden wollenden Trauermarsch in immer neues Licht. In freien Versen gesagt: Wenn man glaubt, es geht nicht mehr, kommt von Blunier immer noch eine Steigerung her. Für den Schluss mit voller Chor-Dröhnung ist Fortissimo ein absolut unzureichender Begriff.

Als Zugabe auf die Klang-Attacken folgte ein eingängiger Fackeltanz von Giacomo Meyerbeer. Im zweiten Teil der Berlioz-Sinfonie aus der Abteilung Kuriosa gab es Delikates zu hören: schöne Kantilenen für die Posaune. Hans-Peter Bausch, Solo-Posaunist des Beethoven Orchesters, ließ sich die seltene Gelegenheit nicht entgehen, mit faszinierend weicher Tongebung für die beruhigendsten Momente im Spiel von Trauer und Triumph zu sorgen.

Das Material soll Berlioz seiner unvollendeten Oper "Les Francs Juges" entnommen haben, die Ouvertüre dazu stand am Anfang des Konzerts, auch dies ein bizarres, spannend instrumentiertes Stück, dessen Rossini-Effekte zwischendrin Blunier mit elektrisierendem Rhythmus nahm.

Berlioz hat wenig Gutes über Chopin gesagt, "er war nur der Virtuose der eleganten Salons, der intimen Gesellschaft", schrieb er einmal. Einen größeren Gegensatz als Chopins e-Moll-Konzert kann man sich zur Berlioz-Show nicht denken - und einen besseren Anwalt für dieses Konzert als den jungen Finnen Anttii Siirala wohl auch kaum.

Der hatte - bei aller stupenden Technik - mit einem Virtuosenkonzert nichts im Sinn, verzichtete auf jegliche Schluchzer und Weichspüler, auf übertriebene Dehnungen und Beschleunigungen, kurzum: er spielte nobel, mit einer reichen Palette von Klangschattierungen. Diese ganz auf das Innere der Musik konzentrierte Interpretation hatte in Blunier und Orchester einen klugen Partner, der aus dem diskret angelegten Begleitpart das Beste an Wirkung herausholte. Als Zugabe wählte Siirala das Intermezzo A-Dur von Johannes Brahms - beglückende Augenblicke voller Ruhe und Innerlichkeit.

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