Neue Musical-Inszenierung an der Bonner Oper Boulevard der Dämmerung

Bonn · Gil Mehmert inszeniert an der Bonner Oper Andrew Lloyd Webbers Musical „Sunset Boulevard“. Ein Gespräch mit dem Regisseur.

Wenn Gil Mehmert in Bonn inszeniert, darf man sich einigermaßen sicher sein, dass wieder ein Musical von Andrew Lloyd Webber auf der Bühne des Opernhauses gegeben wird. Das begann 2013 mit „Jesus Christ Superstar“, im vergangenen Jahr stand mit „Evita“ dann eine politische Frauenfigur im Rampenlicht, der nun eine Diva aus längst vergangenen Zeiten des Stummfilms folgen wird: Norma Desmond, die Hauptfigur aus „Sunset Boulevard“.

Bei so viel Lloyd Webber liegt die Frage nahe, was er an seiner Kunst schätzt. „Man kennt ihn ja vor allem wegen seiner superpopulären Familien-Musicals. Also 'Cats' oder 'Starlight Express'. Das ist aber nicht mein Metier.“ Mehmert schätzt auf der einen Seite mehr die frühen Musicals, aus der Zeit als der Komponist noch mit dem Texter Tim Rice zusammengearbeitet habe, wie eben „Jesus Christ Superstar“ (1970) und „Evita“ (1976). „Das sind sehr anspruchsvolle Stücke, vor allem 'Evita' mit der politischen Dimension de Stoffes und der Erzählstruktur. Und 'Sunset Boulevard' ist dann eher ein Alterswerk aus der Zeit, als er anfing, sich wieder reiferen Stoffen zu widmen“, sagt er. „Ich finde, dass Lloyd Webber das Musical mit diesen drei Stücken weitergebracht hat. Weil er opernhaft arbeitet und musikalisch eine Art Leitmotivik einsetzt. Und weil alle drei sehr gute Libretti haben. Es gibt gebrochene Heldenfiguren, die sich an ihrem Umfeld abarbeiten.“

Das Musical „Sunset Boulevard“, das an diesem Donnerstag Premiere in Bonn feiert, beruht auf dem gleichnamigen Film von Billy Wilder aus dem Jahr 1950 mit Gloria Swanson in der Hauptrolle. Die Geschichte des Films hat man ziemlich unberührt gelassen. Die einstige Hollywooddiva Norma Desmond lebt in ihrer prächtigen Villa am Sunset Boulevard in einer Wahnwelt. Umgeben von Fotos und Requisiten aus ihrer Vergangenheit als Stummfilmstar wartet sie auf ein Comeback. Dieses Ziel vor Augen arbeitet sie an einem „Salome“-Projekt, das sie sich selbst auf den Leib schreiben will. Hilfe erhofft sie sich von dem jungen Drehbuchautor Joe Gillis, der zufällig auf ihr Anwesen gerät und ihr Geliebter und schließlich ihr Opfer wird.

Die Darstellung der Figur ist eine sehr dankbare Aufgabe für nicht mehr ganz junge Darstellerinnen. Als der einstige Stummfilmstar Gloria Swanson mit Billy Wilder drehte, war sie 50 Jahre alt. Sätze wie „We didn’t need dialogues, we had faces” (Wir brauchten keine Dialoge, wir hatten Gesichter) machten sie in dieser Rolle unsterblich. Lloyd Webbers erste Norma war Patti LuPone, in Amerika übernahm Glenn Close, und in Deutschland, wo man unter dem Eindruck der sensationell erfolgreichen Produktionen von „Cats“, „Phantom der Oper“ und „Starlight Express“ für die Premiere 1995 eigens ein Musicaltheater bei Niedernhausen an der A3 gebaut hatte, sang Helen Schneider die alternde Diva.

Es sollten allerdings noch 15 Jahre vergehen, bis die Rechte an „Sunset Boulevard“ für Stadttheater freigegeben wurden. Mehmert war, abgesehen von einer weiteren Produktion in Magdeburg, der erste, der das Stück dann unabhängig von der Originalinszenierung auf die Bühne brachte, 2011 als Open-Air-Produktion für Bad Hersfeld. Darauf basiert dann auch die aktuelle Inszenierung, die als Übernahme aus Dortmund nun in Bonn zu erleben ist. Sie ist weniger opulent als die Niedernhausener, sagt Mehmert („Wir sind sehr radikal im Weglassen“), dafür bietet sie andere Besonderheiten. Szenische, aber auch musikalische. Mehmert ist glücklich darüber, dass in Bonn die große sinfonische Fassung gespielt wird, die mit Glenn Close in London zu hören war. Aber auch mit der Besetzung der Hauptfigur ist Mehmert sehr glücklich. Es singt die niederländische Darstellerin Pia Douwes. Und zwei Mal, am 1.10. und 31.12., kommt sogar Helen Schneider nach Bonn.

Premiere, Donnerstag, 21. September, 19.30 Uhr, in der Oper Bonn. Karten bei Bonnticket. Weitere Termine unter theater-bonn.de.

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