„Jazz Night“ im Kameha in Bonn-Beuel Breit wie eine Autobahn

Bonn · Das Duo Sendecki & Spiegel tritt bei der Kameha „Jazz Night“ auf. Das geht zwar nicht ganz ohne Pannen, ist aber vielleicht auch deshalb ziemlich unterhaltsam.

Auf Abstand: Vladyslav Sendecki am Piano und Jürgen Spiegel am Schlagzeug hielten immerhin steten Augenkontakt.

Auf Abstand: Vladyslav Sendecki am Piano und Jürgen Spiegel am Schlagzeug hielten immerhin steten Augenkontakt.

Foto: Benjamin Westhoff

Das ist die perfekte Philosophie des Scheiterns: „Wir haben versucht, alles falsch zu machen, und es ist uns gelungen“, schmunzelt der Schlagzeuger Jürgen Spiegel nach der zweiten Nummer. Und keiner hat’s gemerkt. Gelächter bei der „Jazz Night“ im Kameha Grand zum Jahresauftakt der beliebten Reihe mit einem fantastischen Duo, Sendecki & Spiegel. Es sollten im Laufe des Abends noch weitere Fehler dazukommen, insbesondere der Pianist Vladyslav Sendecki wirkte bisweilen etwas fahrig und uninspiriert – man hat ihn schon besser gehört –, wobei Spiegels brillantes, variantenreiches Spiel virtuos über manche Schwäche hinwegmanövrierte.

Dennoch ein hinreißender Abend mit zwei Vollblutmusikern, die ei­nander quasi blind verstehen, jeden Tempo- und Rhythmuswechsel leidenschaftlich und geschmeidig gemeinsam mitmachen, jedem Stück eine faszinierende Dynamik verpassen.

Launiges von einer Nacht in Tokio

Mit dem sanften und immer ruppiger werdenden „Come Home“ und dem melancholischen „A New Day“ aus dem schönen 2019er Album „Two In The Mirror“ stimmten die Zwei ihr Publikum ein. Sendecki erzählte ziemlich unvermittelt und launig von einer Nacht in Tokio, als er sich mit einem Musiker von Frank Zappa mit billigem Sake so betrank – „ich war breit wie eine Autobahn“ –, dass er nicht merkte, dass gleichzeitig ein Erdbeben die Metropole erzittern ließ.

Nach Kater-Musik hörte sich das folgende Stück jedoch nicht an: „Furioso“ aus dem unbedingt hörenswerten aktuellen Album „Solace“ ist eine raffiniert konstruierte Powernummer mit wunderbar melodiösen Passagen und viel Tempo. Sendecki & Spiegel cruisten beschwingt durch „Solace“, pickten sich dabei so spannende Nummern wie das atmosphärische, sich zunächst träge dahinschleppende „New York Streets“ heraus, ein Stück, das für Sendecki die „surreale Welt der 1980er“ spiegelt. Auch das Titelstück der CD öffnet traumverlorene Welten, gibt beiden Musikern den nötigen Raum, um ihre Improvisationslust auszuleben.

Der wild fabulierende Pianist und der nicht minder aktive Drummer des Tingvall Trios spielten sich die Bälle zu. Sendecki & Spiegel hatten sichtlich Spaß dabei. Das Publikum war hingerissen. Wer den Abend verpasst hat: Sendecki & Spiegel kommen im Mai zum Jazzfest Bonn.

Die Jazz-Reihe im Kameha wird am 2. Februar mit der spannenden Gruppe Jin Jim fortgesetzt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Rote Linien in der Kunst
Kommentar zum Engagement von Künstlern Rote Linien in der Kunst
Strom dank Beethovens Musik
Bonner will Ukrainern helfen Strom dank Beethovens Musik