Barocker Gipfel Brühler Schlosskonzerte feiern 60-jähriges Bestehen

Brühl · Noch bis zum 2. September feiern die Brühler Schlosskonzerte 60-jähriges Bestehen. Zur Geburtstagssaison gibt es 29 Konzerten an vier Spielstätten. Eine Besucherin erzählt, wie es 1958 vor Ort aussah.

Auf dem Weg zum Schloss Augustusburg wird dem Besucher schnell bewusst, wieso der Bau einst die Lieblingsresidenz des Kölner Kurfürsten Clemens August aus dem Hause Wittelsbach war. Das Brühler Schloss ist Inbegriff des Rokoko und wird seit dem 18. Jahrhundert durch die von Dominique Girard geschaffene barocke Gartenanlage ergänzt. Jeder Schritt bringt einen näher an die Kultur und Geschichte vergangener Zeiten heran. Doch auch durch die Brühler Schlosskonzerte ist die Welterbestätte seit nunmehr sechs Jahrzehnten in aller Munde.

Inmitten der grünen Idylle und mit Blick auf Schloss Augustusburg meint der Betrachter erst, es könnte nicht mehr viel schöner werden. Doch das Innere belehrt eines Besseren: So bildet den Mittelpunkt des Lustschlosses das von Balthasar Neumann entworfene Treppenhaus, und das spart nicht an Prunk und Pracht. Fast erschlagend pittoresk erschließen sich die Details mit der Zeit immer besser, wirken dann aber noch intensiver.

Das bloße Betrachten bei Führungen scheint dem Treppensaal nicht endgültig gerecht zu werden. Und so ist es nur konsequent, dass sich die Brühler Schlosskonzerte in den vergangenen 60 Jahren zu einer echten Institution entwickelt haben. Die Besucherin Ursula Roer wird die Räumlichkeiten und das Auftaktkonzert allerdings mit einem ganz besonderen Blick genießen. Denn vor 60 Jahren gehörte sie zu den ersten Besuchern der neuen Brühler Schlosskonzerten von Helmut Müller-Brühl.

„Über eine Freundin kam ich im Sommer 1958 zu meinem ersten Besuch bei einem Konzert im Brühler Schloss“, erzählt die 81-Jährige. Über Freunde lernte sie damals Helmut Müller-Brühl kennen, und so erzählt Roer noch heute von den eindrucksvollen Erlebnissen: „Das Schloss an sich sah ihm Vergleich zu heute noch ein bisschen traurig aus.“ Längst nicht alle Folgen des Krieges waren beseitigt, und eine richtige Bestuhlung gab es damals ebenfalls nicht.

Platzwahl im Sommer 1958: Die Prunktreppe

Also ließen sich Ursula Roer und ihre Freundin direkt auf der Prunktreppe nieder: „Um es bequemer zu haben, nahmen wir uns zwei Paar von den braunen Filzpantoffeln, die man im Schloss über seine Schuhe ziehen musste, und setzten uns darauf.“ In unmittelbarer Nähe zum Orchester kam die damals 21-jährige Musikliebhaberin zu ihrem ersten Besuch – und die Konzerte weckten ihre Begeisterung.

„Wir waren so nah dran – absolut faszinierend“, schwärmt sie und hat bis heute die Liebe zur Alten Musik nie verloren. Ihre Großmutter spielte Geige, ihr Großvater war Kantor und Organist: „Er vererbte mir seine Noten, und ich selbst kann Klavier und Blockflöte spielen“, so die 81-Jährige.

Schon vor 60 Jahren war es schwer, an Karten für die Schlosskonzerte zu kommen, die damals mehr von Freunden und der Familie Müller-Brühls organisiert wurden. „Eine seiner Schwestern verkaufte die Karten und ich half mit, die Kabel für die ganze Technik zu verlegen“, erinnert sich Roer. Auch in den Jahren, die sie außerhalb des Rheinlands wohnte, nahm sie die Konzerte zum Anlass und traf sich dort mit Freunden. Denn trotz seines jugendlichen Alters schaffte es der Gründer Helmut Müller-Brühl sehr schnell, namhafte Solisten für seine Konzerte zu engagieren.

Beliebt seit 60 Jahren

„Jetzt freue ich mich erneut, am Wochenende noch einmal ein Konzert in den Räumlichkeiten zu erleben“, so Ursula Roer in Hinblick auf die Auftaktveranstaltung „Barockes Gipfeltreffen“. Denn fast auf den Tag genau vor 60 Jahren – am 11. Mai 1958 – erklangen Werke von Bach und Händel im Prunktreppenhaus. Dies nahm Andreas Spering, der Künstlerische Leiter der Schlosskonzerte, zum Anlass und präsentiert die beiden Größen mit „Bachs virtuosen Violinkonzerten und den fulminanten Concerti grossi aus Händels Londoner Zeit“, wie es die Konzertankündigung verheißt.

Das hauseigene Orchester eröffnet, wie vor 60 Jahren, die Saison. Bis zum 2. September dauern die Schlosskonzerte an, Herzstück der Saison ist das seit zehn Jahren stattfindende Haydn-Festival. Die Jahreszeiten in Ausdeutungen von Vivaldi, Tschaikowsky und Haydn ziehen sich als roter Faden durch das Programm. Mit dabei ist unter anderem das Trio Wanderer aus Frankreich, das Philharmonia Quartett Berlin und das Esterházy Ensemble. Ab dem 24. August beginnt das Haydn-Festival und beweist einmal mehr die Strahlkraft des österreichischen Komponisten. Genau diesen Ansatz hat sich Andreas Spering, seit er 1996 die Nachfolge des Festivalgründers antrat, zum Spezialgebiet gemacht. Spering ist mit der historischen Aufführungspraxis aufgewachsen, und er hat die Schlosskonzerte zu einem Treffpunkt für authentisches Musizieren Alter Musik geformt.

Die Alte Musik im Mittelpunkt

Der Vergleich der Klänge mit denen von vor 60 Jahren bleibt treuen Besuchern wie Ursula Roer vorbehalten. Dass die 29 Konzerte ein Fest mit hochkarätigen Gästen und stimmungsvollen Auftritten werden, steht jedoch außer Frage. Die bevorzugte Spielstätte bleibt das Treppenhaus. Vor mehr als 250 Jahren wurde das Schloss den Künsten gewidmet – und dies gilt noch heute. „Ich wünsche mir, dass diese Art des Musizierens auch in Zukunft hochgehalten wird und all den Musikern viel Erfolg und viele Besucher“, betont Roer.

Wer neben der Musik noch Augen für den Saal hat, sollte die Gestaltung des gefärbten Stuckmarmors genauer betrachten. Dank der besonderen Mischung aus Gips und Pigmenten aus Halbedelstahl konnten Strukturen an den Wänden präzise angelegt werden, und sie schaffen eine bemerkenswerte Symmetrie. Dieses Raumkunstwerk bietet den perfekten Rahmen für die Konzerte. Doch auch in der Schlosskirche, in St. Margareta und im Restaurant 1875 am Kaiserbahnhof wird gespielt.

Den feierlichen Abschluss der Konzerte bildet wie immer das große Feuerwerk im Schlosspark. Synchron zur „Feuerwerksmusik“ von Händel wird nach Einbruch der Dunkelheit ein eindrucksvolles Boden-, Terrassen- und Höhenfeuerwerk choreographiert.

Weitere Infos www.schlosskonzerte.de

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