Bundeskunsthalle in Bonn Bundesjugendorchester spielt Bruckners fünfte Sinfonie

BONN · Ihr Ruf sei ein pfeifendes "hiiit" und sie sängen oft leicht erhöht von Felsen aus eine zwitschernde und knirschende Strophe, weiß das Online-Lexikon Wikipedia über den Steinschmätzer zu berichten. Mit dem Gesang dieses kleinen spatzenartigen Vogels begrüßte die Pianistin Momo Kodama das Publikum, das am Freitagabend zum Konzert des Bundesjugendorchesters ins ausverkaufte Forum der Bundeskunsthalle gekommen war.

 Anspruchsvolles Programm: Musiker des Bundesjugendorchesters in der Bundeskunsthalle.

Anspruchsvolles Programm: Musiker des Bundesjugendorchesters in der Bundeskunsthalle.

Foto: Horst Müller

Freilich ließ die in Frankreich lebende gebürtige Japanerin den Gesang des Steinschmätzers in der Form erklingen, wie Olivier Messiaen, der größte Ornithologe unter den großen Komponisten, ihn aufs Klavier übertragen hatte. Sie spielte "Le Traquet rieur" klanglich und rhythmisch ungemein präzise.

Eine besonders hübsche Idee aber war der Übergang zum nächsten Stück, den "Oiseaux exotiques" für Klavier und einem nur mit Bläsern besetzten Kammerorchester: Zu einer aus Lautsprechern erklingenden Vogelstimmen-Collage von Bernhard Wulff betraten die ersten Solisten des Bundesjugendorchesters langsam und musizierend den Saal.

Erst als das Ensemble vollständig war, kam Dirigent Lothar Zagrosek hinzu, hob den Taktstock, und das eigentliche Stück begann. Man durfte schon hier die Präzision und den Ausdruck bewundern, mit dem die jungen Musiker ans Werk gingen, vom ersten schneidenden Akkord bis zum perkussiven Schluss, in dem noch Strawinskys "Sacre" nachzuklingen scheint.

Unter Zagroseks sehr bestimmter Leitung funktionierte auch das Zusammenspiel zwischen der Solistin, die die komplexe Solostimme mit traumwandlerischer Sicherheit zu Gehör brachte, und dem Ensemble so präzise wie das Räderwerk einer Schweizer Uhr.

Dass Zagrosek das komplette Orchester im ersten Teil noch sehr geschont hatte, dürfte an dem ex-tremen Anspruch gelegen haben, den Anton Bruckners fünfte Sinfonie als das Hauptwerk des Abends an die jungen Musiker stellte. Zagrosek und die Dozenten der aktuellen Arbeitsphase des Bundesjugendorchesters hatten die Musikerinnen und Musiker, die zwischen 14 und 19 Jahre alt sind, gründlich vorbereitet.

Unsicherheiten waren in den vier Sätzen nicht zu vernehmen. Dabei schonte Zagrosek das riesig besetzte Orchester nicht, ging auch bei den ziemlich rasch genommenen Tempi keine Kompromisse ein. Und die zwölf Minuten, die Zagrosek mit dem Stück schneller fertig war als etwa Christian Thielemann in seiner Aufnahme mit den Münchner Philharmonikern, haben schon einen gewaltigen Einfluss auf den Charakter der Musik.

Zagrosek zelebriert Bruckner nicht wie ein Hohepriester, sondern will die Musik gänzlich ideologiefrei aus sich heraus sprechen lassen. Wie er mit den fabelhaften jungen Musikern allein das kontrapunktisch extrem komplexe Finale ausleuchtete, hatte große Klasse. An der Fülle der Details, die aus dem Orchester an die Ohren drang, mochte man sich gar nicht satt hören.

Hier war jeder auf seinem Posten: Klarinetten, Oboen, Hörner, Trompeten, Posaune und Tuba; und natürlich die vielen Streicher, die schon den leisen Beginn der Sinfonie wunderbar atmosphärisch hatten anheben lassen. Der Applaus am Ende war lang anhaltend und ließ Begeisterung für die ambitionierten Musiker und ihren großartigen Dirigenten spüren. Den weiteren Stationen ihrer Wintertournee, die mit dem Konzert in Bonn begann und am 18. Januar in Bozen endet, können sie gelassen entgegensehen.

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