Ausstellung in Bonn Bundeskunsthalle widmet sich den Malerfürsten
Bonn · Bonner Bundeskunsthalle zeigt die erste Ausstellung über das Phänomen der Malerfürsten. Spätestens beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs war die kurze Ära der Malerfürsten und deren üppiger Lebensstil vorbei.
"Horror vacui“ nennt der Lateiner die Furcht vor der Leere, die vom Künstler alsbald mit Figuren, Dingen und Dekorativem gefüllt werden will. Die Leere auszuhalten und explizit zu suchen, ist ein eher junges Kunstprinzip.
Die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts aufkommenden Malerfürsten hielten es eher mit dem Horror, mit dem Übermaß, der Üppigkeit, mit der überbordenden, prallen Erzählung aus Mittelalter und Renaissance, dem Geklirr von Rüstungen und Champagnergläsern, dem Rascheln von Seide und dem satten Fall schwerer Brokatstoffe. Eine mondäne Welt von gestern.
Schon im Atelier des Künstlers, das möglichst Ausmaße eines Tanzsaals haben sollte, manifestierte sich die Fülle: Dekorationen aller Art und Wandteppiche, Architekturfragmente und Kostüme, hier ein plüschiger Diwan für das Modell, dort der ausladende, mit Troddeln behängte Sessel.
Wer hier gleich an Dekadenz und Niedergang denkt, übersieht die unglaubliche Qualität der Bilder. Was im Atelier wie die leicht angestaubte Requisitenkammer für einen prallen Historienfilm anmutet, war einst das Allerheiligste des Malerfürsten, wo er seine betuchte Klientel aus Wirtschaft, Adel, Politik empfing, Strategien ersann und Netzwerke knüpfte. Der Malerfürst als umjubelter, verehrter, zu Wohlstand gelangter Popstar, als aus der Zeit gefallenes Phänomen.
Unter akutem Kitschverdacht
Erstmals wird das Phänomen Malerfürst in einer Ausstellung dokumentiert. Als Protagonisten dieser vom Ausstellungsbetrieb lange verschmähten, unter akuten Kitschverdacht gestellten und als Exponenten einer hohlen Dekadenz verurteilten Malerfürsten stellt die Bundeskunsthalle die sieben berühmtesten vor: den Engländer Frederic Lord Leighton, den in Wien wirkenden Hans Makart, den Krakauer Jan Matejko, das Münchner Dreigestirn aus Franz von Lenbach, Friedrich August von Kaulbach und Franz von Stuck, sowie aus Budapest Mihály von Munkácsy.
Einzeln werden die Meister vorgestellt: mit Selbstporträts, die Tizian und Rubens als Vorbilder verraten, mit Fotos ihrer Villen, Wohnräume und Ateliers, die sich am Prunk des Adels orientieren und im schwülen Orient- oder filmreifen Mittelalterstil daherkommen. Meister der Selbstinszenierung waren sie alle, wobei sich von Munkácsy auch mal als Gekreuzigter gab und von Stuck als feixender, nackter Faun.
Die Malerfürsten setzten aber auch sich selbst, ihre Gattinnen und Kinder mondän in Szene. Es ging um Selbstbewusstsein und Markenbildung. Der Malerfürst und Geschäftsmann brauchte ein satisfaktionsfähiges Image, um der Klientel auf gleicher Augenhöhe zu begegnen.
Sehr schön fächert die von Doris H. Lehmann und Katharina Chrubasik kuratierte und vom Büro Meyer Voggenreiter bunt und plüschig inszenierte Ausstellung die immense Schaffensbreite dieser begabten Maler und geschickten Unternehmer auf: Die reicht vom prallen Historienschinken, der Antikes, Biblisches oder politisch Relevantes wie ein Kostümfest zelebriert, bis zu verspielten Allegorien, vom hochherrschaftlichen Porträt über die Politiker-Ikone (Lenbachs offizielle Bismarck-Bilder) bis zur Personenstudie, die flüchtig wie ein Schnappschuss anmutet.
Malerfürsten waren wie Designer unserer Tage auch für Interieurs zuständig, Makart etwa in der Hermesvilla für die Dekoration des Schlafzimmers von Kaiserin Elisabeth, deren Lieblingsmaler er war.
Gewagte Rollenspiele
Auch für Künstlerfeste und Umzüge griff man auf das Inszenierungstalent der Malerfürsten zurück. Die Ausstellung dokumentiert gewagte Rollenspiele und historische Aufzüge, die an Pomp kaum zu überbieten sind.
Exquisit ist die Qualität der Bilder: Makarts 6,30 Meter breiter „Frühling“ aus Salzburg ist ein meisterhaft komponiertes Figurenbild nackter Leiber, von Stucks bereits zum Jugendstil drängende Aktbilder beeindrucken mit ihrem duftigen, zurückgenommenen Kolorit; Makart, Lord Leighton, Kaulbach und Lenbach begeistern mit ihren Porträtstudien; von Munkácsy mit suggestiv ausgeleuchteten Interieurs und einer virtuosen „Apotheose der Renaissance“, Matejko mit dramatisch inszenierten Historienbildern. Ein wahres Fest der Malerei!
Spätestens beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs war die kurze Ära der Malerfürsten und deren üppiger Lebensstil vorbei. Sie hatten sich gründlich überlebt. Ihre Malerei war ohnehin großteils ein – wunderschöner – Anachronismus. 1872: Lenbach ließ Makarts Gattin recht steif im Porträt à la Rembrandt posieren – im gleichen Jahr entstand Claude Monets „Impression, sol levant“, eines der Hauptwerke des Impressionismus; im Jahr, als Matejko den Publizisten Stanislaw Tarnowski im strengen Habit des Unirektors malte (1890), schuf Vincent van Gogh seinen fiebrig vibrierenden Dr. Gachet; als von Stuck seinen delikaten „Frühling“ (1906) schuf, war die Erfindung des Kubismus im Gange.
Die Zeit der Malerfürsten war eine herrlich entschleunigte, abgedrehte Gegenwelt in Plüsch.