Jazz in der Philharmonie Chick Corea kann es noch immer

Köln · „Return to Forever“ ist ein Meilenstein in Chick Coreas Musikerleben, ein Meisterwerk. Der Jazzpianist gastiert zusammen mit Steve Gadds Band in Köln vor einem begeisterten Publikum.

 Powerplay: Chick Corea (links) und Lionel Loueke im Dialog.

Powerplay: Chick Corea (links) und Lionel Loueke im Dialog.

Foto: Thomas Brill

Es zischt, blubbert und brodelt in der Fusion-Suppe. Keyboardklänge irrlichtern durch den Äther, der bunte Heulschlauch wirbelt jaulend durch die Luft. Nach Minuten erhebt sich eine zarte Melodie, weitere Minuten später ist ein Rhythmus gefunden. Was dann passiert, ist atemberaubend: ein Feuerwerk von Schlagzeug, Bongos und Rasseln, irre Bass- und Gitarrenläufe, wildes Saxofonspiel. Immer wieder droht alles zu Kollabieren und wieder ins Ur-Chaos zurückzufallen, und immer wieder taucht diese zarte Melodie auf.

„Return to Forever“ ist ein Meilenstein in Chick Coreas Musikerleben, ein Meisterwerk. Corea und sein Schlagzeuger Steve Gadd haben den Klassiker von 1972 einmal wieder hervorgekramt und für das neue Album „Chinese Butterfy“, das Mitte Januar 2018 erscheinen soll, erneut aufgenommen. In der nur halb gefüllten Kölner Philharmonie präsentierten Corea und Gadd am Dienstag sechs Stücke aus dem Album und „Quartet No. 1“ von 1981. Ein wahrhaft sensationeller Abend.

Die beiden Herren – beide jenseits der 70 – haben sich für ihr retrospektiv angelegtes Projekt Topmusiker der Söhnegeneration auf die Bühne geholt, die allenfalls Kleinkinder waren, als „Return to Forever“ der gleichnamigen Formation erstmals erklang. Dieses Stück und zu Beginn das feurige „Night Streets“ aus dem programmatischen Album „My Spanish Heart“ (1976), mit dem Corea in Spanien Abstand zu Return to Forever suchte, bildeten die Klammer für das fantastische Konzert, definierten das Spannungsfeld des Abends.

In 26 Minuten breitete „Night Streets“ den ganzen Corea-Cosmos aus – mit Steve Wilsons flirrender Flöte und später am Saxofon beim Duett mit Corea, mit Lionel Louekes nervig verzerrter Gitarre, dem funkigen Bass von Carlitos Del Puerto und der Samba- und Rhythmusmaschine von Gadd und Luisito Quintero (Percussion), die mit einem gut zehnminütigen Doppelsolo für einen ersten Höhepunkt sorgten. Powerplay in der Philharmonie.

Corea liebt das leichte, flüchtige Spiel

Es ging auch anders. Mit „Serenity“ füllte kultivierter Kammerjazz, angeführt von Piano und Bass, Flöte und Schlagzeugbesen, die Philharmonie. „Chick's Chum“, das Gitarrengott John McLaughlin Corea zu dessen 75. im New Yorker Club „Blue Note“ widmete, kam herrlich groovend mit Funk- und Latinelementen daher. Im „Spanish Song“ demonstrierte Corea nicht zum ersten Mal seine Klasse am Flügel.

Da ist kein Tastendonner, da werden keine pathetischen Akkorde ins Piano gehämmert: Corea liebt das leichte, flüchtige Spiel, entwickelt liebevoll seine zauberhaften Motive, liebt die Schnelligkeit und rhythmische Präzision. Und er ist unbestritten das Kraftzentrum der Band. „Spanish Song“ startet mit geradezu sprödem, barockem Zauber, wandelt sich dann zu einer tänzerischen Latinnummer.

Das nach frenetischem Applaus zugegebene „Spain“ von 1971 stimmt das Publikum mit dem von Corea am Flügel und Del Puerto mit dem gestrichenen Kontrabass akkurat musizierten Adagio aus dem „Concierto de Aranjuez“ von Joaquin Rodrigo ein, der sich dann zu einem furiosen Tanz steigert. Es war alles geboten an diesem großartigen Abend in Köln. Die CD „Chinese Butterfly“ kann kommen.

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