Stummer Schrei im Kleinen Theater Chris Pichler gelingt in "Romy Schneider" eine großartige Charakterstudie

Sissi war ich nie", erklärt sie einmal trotzig. Dennoch: Die Sissi-Filmtrilogie machte die junge Romy Schneider zum Weltstar. Im Kleinen Theater Bad Godesberg lässt die österreichische Schauspielerin Chris Pichler das kurze Leben der Künstlerin Revue passieren.

 Zigarette im Mundwinkel, brennend vor Ehrgeiz: Chris Pichler spielt Romy Schneider.

Zigarette im Mundwinkel, brennend vor Ehrgeiz: Chris Pichler spielt Romy Schneider.

Foto: Ivo Kocherscheidt

Nein, ihr Solo "Romy Schneider. Zwei Gesichter einer Frau" ist mehr als eins der üblichen Biopics. Pichler vergegenwärtigt die berühmte Schauspielerin und balanciert dabei virtuos auf dem schmalen Grat zwischen Identifikation und Distanz.

Für die Hörspiel-Fassung ihres aus Tagebüchern, Briefen und anderen Dokumenten zusammengestellten und von ihr selbst inszenierten Abends wurde sie bereits 2008 vom ORF zur Schauspielerin des Jahres gekürt.

Sie kann zweifellos alles mit ihrer wandlungsfähigen Stimme erzählen. Aber tatsächlich muss man sie auf der Bühne sehen.

Mit geradezu stupender Ähnlichkeit verkörpert sie die Frau, die eigenwillig sich selbst behauptet, aber ohne Rollen nicht leben kann. Sie zitiert das 15-jährige Mädchen, das 1954 hellsichtig in sein Tagebuch notiert: "Ich weiß, dass ich in dieser Schauspielerei aufgehen kann. Es ist wie ein Gift, das man schluckt und an das man sich gewöhnt und das man doch verwünscht."

Sie ist der Teenager, hochtalentiertes Kind einer bekannten Schauspielerfamilie, der aufgeregt nach München reist und an der Seite seiner Mama ins Filmgeschäft einsteigt. Sie spielt die naive Koketterie der Anfängerin, die das Autogrammschreiben schon mal übt und wenige Jahre später die Begegnung mit den großen Hollywood-Stars genießt.

Ebenso wie die Flüge um die halbe Welt, das Blitzlicht-Gewitter der internationalen Presse, die Flirts mit Kollegen und die Gagen, die die ihrer Mutter bald deutlich übertreffen. Pichler streut am Mikro Film-Songs wie "Wenn der weiße Flieder wieder blüht" ein, bevor sie per Live-Kamera ihr Gesicht auf einem kleinen Uralt-Schwarzweiß-TV-Gerät präsentiert.

Eine herbe Schönheit, Zigarette im Mundwinkel, brennend vor Ehrgeiz, das süße Prinzessinnen-Image abzustreifen. Amour fou mit dem damals noch unbekannten Franzosen Alain Delon, den sie bei den Dreharbeiten zu Schnitzlers "Liebelei" kennengelernt hat.

Umzug nach Paris, wo sie 1961 (gerade mal 22 Jahre jung und ohne jegliche Theater-Ausbildung) ihr Bühnendebut in Luchino Viscontis legendärer Inszenierung von John Fords Renaissance-Drama "Schade, dass sie eine Hure war" gibt.

Die Aufführung wird ein Riesenerfolg. Romy Schneider schuftet energisch an ihrer Karriere, steckt die schmerzliche Trennung von Delon weg, dreht mit ihm 1969 cool den Erotikthriller "Swimmingpool" und wird zur mit etlichen Preisen ausgezeichneten Charakterdarstellerin.

Zwischendurch probiert sie ein bürgerliches Familienleben in der Ehe mit dem Regisseur Harry Meyen. Der stumme Schrei, mit dem Pichler den grausamen Unfalltod von Romys 14-jährigem Sohn verklingen lässt, geht tief unter die Haut.

Im silbern schillernden Kleid erschien sie zuvor als neue Pariserin: schön, sexy, skandalös selbstbewusst und gespenstisch fragil. In Deutschland nach ihrem Bruch mit dem sauberen Bild des schlichten Mädels abgefeiert und in die Yellow-Press verbannt.

Lebensmüde gestorben 1982 an einem Cocktail aus Alkohol und Drogen. O-Ton Schneider: "Man wird wie eine Ware verpackt und verkauft."

Chris Pichler geht mit ihrer Bühnenfigur sensibel durch alle dramatischen Himmel und Höllen des Betriebs. Ein schauspielerisches Ereignis, und nach knapp zwei atemberaubenden Stunden mit langem Applaus belohnt.

Wobei es schon an ein Wunder grenzt, dass Pichler, ansonsten gern gesehener Gast an vielen großen deutschsprachigen Häusern, in ihrem vollen Terminkalender überhaupt Zeit für das Kleine Theater in Bad Godesberg fand.

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