Spielplatz der Erinnerungen Christina Schelhas holt Geschwister auf die Bonner Bühne

Bonn · Geschwister verzeihen alles. Na gut, fast alles. Prinzessinenattitüden und vom Hund zerlegte Kuscheltiere offenbar schon. Zumindest in dem biographischen Projekt "Blut ist dicker als Wasser", das Regisseurin Christina Schelhas jetzt auf der Werkstattbühne des Theater Bonn inszenierte.

 Zofften sich schon im Mutterleib: Die Zwillinge Johanna und Katharina Landsberg. FOTO: THILO BEU

Zofften sich schon im Mutterleib: Die Zwillinge Johanna und Katharina Landsberg. FOTO: THILO BEU

Die 30-Jährige, die sich in der vergangenen Spielzeit bereits mit ihren eigenen Schwestern und den damit verbundenen Sorgen und Freuden auseinandergesetzt hat ("There is no Orchestra"), hat sich dafür Bonner Bürger gesucht, die gerne aus dem familiären Nähkästchen plaudern - und die dabei in der Premiere am Mittwoch für einige bewegende Momente gesorgt haben.

Schon die verschiedenen Konstellationen sorgten für Abwechslung: Da waren die beiden jungen Zwillinge Katharina und Johanna Landsberg, die sich angeblich bereits im Mutterleib kräftig gezofft haben und trotz allem Unabhängigkeitsstreben für die jeweils andere ihr Leben geben würden; dann das Teenager-Trio Emil, Karlotta und Kornelius Philippsen, kontinuierlich pendelnd zwischen Neckerei und unzerbrechlichem Zusammenhalt; die beiden Lettinnen Leonarda Jancis-Parduzi und Nijole Masian, die eine seit Jahrzehnten im "Paradies" Deutschland, während die andere sich erst vor wenigen Jahren aus ihrem "dunklen Königreich" befreit und den Schritt in ein neues Leben gewagt hat; und Jochen Meyn als Senior der Truppe, der als Kind von seinem Bruder getrennt wurde und mit seinen diversen Halbgeschwistern ganz unterschiedliche Erfahrungen machte.

Um, unter, zwischen, neben und auf den acht nebeneinander aufgehängten Schaukeln, die die halbrund gestaltete Bühne dominieren, gaben die exzellent agierenden Laienschauspieler einen Einblick in ihre Geschichte und präsentierten jenes Band, das sie und ihre Geschwister unabhängig von Raum und Zeit miteinander verbindet. Besonders die Briefe zwischen Leonarda und Nijole berührten: Die eine seit ihrer Au-Pair-Zeit glücklich in Bonn, die andere zu Hause in Lettland, nach eigenen Worten nicht wirklich lebend, aber dennoch Kraft und Zuversicht an ihre Schwester schickend.

Viele emotionale Momente

Diese bemerkenswerte Wärme herrschte in allen Beziehungen auf dem Spielplatz der Erinnerungen vor und sorgte so immer wieder für emotionale Momente. Dazwischen eingestreute skurrile Harlekin- und Akrobaten-Szenen im Stil der Stummfilmzeit samt der ein oder anderen Lichtspielerei dienten derweil als Kontrapunkt wieder auf - ob dieser Gegensatz allerdings in allen Fällen der Sache dienlich war, sei dahingestellt, zumal sich die inhaltliche Relevanz der pantomimischen Lückenfüller nicht wirklich erschloss.

Andererseits boten sie Kornelius, dem Nesthäkchen des Ensembles, einmal mehr Raum für freche Eskapaden, die dieser auch mit Freuden ergriff und unter anderem seinem Bruder Emil darlegte, wer der Stärkere von beiden ist. Für die großen Lacher ist somit gesorgt.

Anderthalb Stunden ließen sich mit diesen abwechslungsreichen, durchweg positiv gezeichneten Geschwisterporträts schnell überbrücken, angefüllt mit Offenbarungen von Quälgeistern und Vertrauten in Personalunion. Dass dabei so mancher im Publikum an das eigene Verhältnis zu seinen Geschwistern dachte, an die eigenen Zankereien, Streiche und gemeinsamen Aktionen, bewiesen immer wieder schmunzelnde Gesichter und nickende Köpfe. Ja, das kennt man. Am Ende gab es denn auch den verdienten langanhaltenden Applaus für eine tolle Truppe und ein ambitioniertes Projekt.

Termine: Weitere Aufführungen am 29. und 30. Oktober sowie am 5., 13. und 26. November jeweils um 20 Uhr auf der Wekrstattbühne, Rheingasse 1. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Geschäftsstellen.

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