Gasometer in Oberhausen Christo hat sein "Big Air Package" aufgeblasen

OBERHAUSEN · In seinen ersten Worten - nach dem er sich durch die Pressemeute durchgekämpft und Platz neben seinem Fotografen, engen Freund und "Manager" Wolfgang Volz gefunden hat - erinnert Christo an Jeanne-Claude, seine langjährige Weggefährtin, die 2009 überraschend starb.

 Licht und Luft: Blick zum Dach des Gasometers.

Licht und Luft: Blick zum Dach des Gasometers.

Foto: Kliemann

Er bedauert, dass sie die riesige Luftblase im Gasometer Oberhausen nicht mehr erleben kann. "Aber sie ist immer unter uns." Und er erinnert an "The Wall", jene Wand aus 13.000 bunten Ölfässern, die er 1999 anlässlich der die Internationalen Bauausstellung Emscher Park quer in den Gasometer stellte. Damals gingen Christo und Jeanne-Claude händchenhaltend vor der imposanten Fässerwand auf und ab, konnten sich selber nicht sattsehen.

Dieses einzigartige Bauwerk, der Gasometer, hat es Christo angetan. Hier wollte er eine seiner spektakulären "Air Packages" realisieren. Seit 1966 verpackten Christo und Jeanne-Claude Luft, das spektakulärste Werk dieser Serie war sicherlich das "5600 Kubikmeter Paket", das bei der documenta 4 (1968) wie eine riesige Luft-Wurst 85 Meter hoch in den Himmel ragte.

[kein Linktext vorhanden]In Oberhausen sind es 177.000 Kubikmeter Luft - was dem Raumvolumen von 400 Einfamilienhäusern entspreche, wie Volz vorrechnet -, die in Spezialstoff gefangen in einem Durchmesser von 50 Meter und 90 Metern Höhe den Gasometer füllen. Nur wenige Meter Spielraum gibt es zwischen Gasometerwand und der Hülle von Christos Luftpaket, dem ersten Projekt, das er ohne seine kongeniale Jeanne-Claude konzipierte.

In diesem Zwischenraum kann der Besucher mit einem gläsernen Aufzug bis zum Dach des Gasometers fahren und dabei die mit Seilen vertäute Außenhaut des Luftpakets betrachten, die natürlich an den verhüllten Reichstag erinnert. Wie ein riesiges Tier ist dieses weiße Ungetüm, das fast so groß ist wie der legendäre Zeppelin "Hindenburg", im Gasometer gefangen. Anders als alle bisherigen Luftpakete ist das in Oberhausen begehbar. Durch eine Drehtür, die als Schleuse fungiert, können Besucher ins Innere.

[kein Linktext vorhanden]Höchstens 250 Menschen dürfen sich gleichzeitig auf der Basis der riesigen Luftsäule aufhalten, ein einmaliges, beeindruckendes Schauspiel. Während von außen die Materialität, Stoff und Seile den Ton angeben, begegnet man im Inneren einem weißen, lichten, eigentlich nicht definierbaren Raum, ein Luftschloss, eine leichte Luftnummer. Die Haut des Pakets ist nur noch als immaterielle Membran wahrnehmbar. Das von oben durch den Stoff scheinende Licht schafft eine durch und durch unwirkliche Aura. Der Künstler selbst sprach gestern von einem "Bad aus Licht" und nannte sein Werk eine "riesige Kathedrale".

Christo gelingt es, wie so oft in seiner über 50-jährigen Karriere, eine auf dem Papier geradezu banal wirkende Idee zu einem ästhetischen, poetischen und physischen Erlebnis zu machen. Der Besucher wird von der Präsenz, von der äußeren Erscheinung überwältigt, ja bedrängt. Im Inneren des Luftpakets herrscht eine ganz andere Stimmung, man atmet förmlich mit dem Paket mit. Bereits gestern bei der ersten Begehung legten sich Pressevertreter auf den Rücken und blickten versonnen in den opaken "Himmel" am Ende des "Big Air Package".

Man muss kein Prophet sein, um Christos "Package" wahre Publikumsströme vorherzusagen. 1999 kamen zu "The Wall" 390 000 Menschen in den Gasometer. Diese Zahl scheint auch 2013 realistisch zu sein. Aber das interessiert im Moment nicht. Denn was wie ein großes Spektakel anmutet, mündet doch ziemlich sicher in einem ganz intimen, unvergesslichen Kunsterlebnis. Christo: "Es geht um das Vergnügen, Form und Proportion zu erfahren", und: "Es geht immer um Schönheit."

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