Christoph Vitali: "Ein paar neue Schwerpunkte"

Neuer Interims-Intendant der Bundeskunsthalle Bonn hat konkrete Pläne für Zukunft und klare Meinung zu Museumsplatzkonzerten: Sie dürfen nicht von Hauptarbeit ablenken

Christoph Vitali: "Ein paar neue Schwerpunkte"
Foto: Fischer

Bonn. Große Erleichterung, Sympathie und Neugier - das hat der frisch installierte Interims-Intendant der Bundeskunsthalle, Christoph Vitali, Dienstag Nachmittag bei seinem ersten Kontakt mit seinen neuen Mitarbeitern in Bonn angetroffen.

Durchaus positiv seien die Reaktionen bei der extra einberufenen Personalversammlung gewesen, sagt der 66-jährige Schweizer, der noch bis Ende des Jahres Chef der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel ist. "Ich war noch nie länger in Bonn", gesteht der weitgereiste Museumsmann, doch Anfang 2008 will er sich hier eine Wohnung mieten: "Ich denke, es werden insgesamt zwei Jahre werden."

Seine erste Handlung an der neuen Arbeitsstätte war, für Ruhe zu sorgen. "Zuerst musste ich Bärbel Dieckmann beruhigen", sagt er, die Oberbürgermeisterin habe sich sehr über seine Äußerungen zum Konzertbetrieb aufgeregt. Vitali hat überhaupt nichts gegen Veranstaltungen auf dem Museumsplatz, nur will er das Risiko nicht tragen.

Otto Lindner, wie Vitali Interims-Chef - Lindner ist noch bis Ende des Jahres für das Kaufmännische zuständig - verhandle bereits über Wege, ein Konzertprogramm auf dem Museumsplatz zu realisieren. Wichtig ist Vitali nur: "Es darf nicht von der Hauptarbeit ablenken."

Die liegt für den Schweizer auf dem Ausstellungs-Sektor, wobei er da Pläne hat, die von dem bisherigen Programm abweichen: "Die Bundeskunsthalle hat in den letzten Jahren sehr spannende außereuropäische Ausstellungen gemacht und große Sammlungen gezeigt, aber das darf nicht das Einzige sein."

Er werde kein einziges bereits geplantes Projekt stoppen, doch eine Dominanz antiker Schätze wie bisher wird es bei ihm nicht geben: "Man muss ein paar neue Schwerpunkte setzen." Vitali ist ein Mann der Klassischen Moderne und der Alten Kunst, in diesen Bereichen ein äußerst versierter Ausstellungsmacher, wie er bereits an der Frankfurter Schirn, im Münchner Haus der Kunst und jetzt in Basel bewiesen hat.

Für Bonn plant er ein vielversprechendes Malerei-Terzett mit dem Dänen Vilhelm Hammershoi, dem US-Maler Edward Hopper und dem gebürtigen Briten und Wahlkalifornier David Hockney. Eine große Retrospektive soll dem für seine melancholischen Frauenakte bekannten Amadeo Modigliani gelten.

Was das übrige Programm angeht, will Vitali an den Porträts großer Sammlungen festhalten, und auch die Gegenwartskunst soll ihren Platz in der Bundeskunsthalle bekommen: "Anselm Kiefer finde ich sehr interessant, viel spannender als Baselitz oder Polke." Die erste Vitali-Ausstellung wird es 2009 geben, "ob ich die zweite noch in meiner Amtszeit schaffe, wird sich zeigen."

Vor 14 Tagen kam der Anruf von Hermann Schäfer, dem Kuratoriumsvorsitzenden der Bundeskunsthalle, mit der Frage, ob sich Vitali vorstellen könne, in Bonn zu arbeiten. "Ich bin in einem Alter wo man noch absolut kann, aber nicht absolut muss", sinniert Vitali, zwei Tage später sagte er zu.

Die Biografie des Multitalents Vitali ist beeindruckend. 1940 in Zürich geboren, absolvierte er als 19-Jähriger in Princeton eine Art geisteswissenschaftliches Studium generale, begann dann in Zürich ein Jurastudium, das er nach einem Spanisch-Intermezzo an der Uni Granada mit Promotion abschloss.

Vitali legte seine Anwaltsprüfung ab, ging als Quereinsteiger aber ins Zürcher Kulturreferat, wo er zwei Theater, zwei Museen und ein kommunales Kino leitete. 1974 bis 1984 war er Verwaltungsdirektor der Städtischen Bühnen in Frankfurt, 1985 bis 1994 leitete er die Kulturgesellschaft aus Theater am Turm, Künstlerhaus Mousonturm und Kunsthalle Schirn.

Mit einem bundesweit beachteten Programm profilierte sich Vitali in der Schirn als exzellenter Ausstellungsmacher. Die umfassende Kandinsky-Retrospektive von 1989 gilt als Meilenstein. Mit "Die große Utopie" über die russische Avantgarde, einer Schau deutscher Maler aus der Ermitage in Petersburg oder Chagall-Wandbildern aus der Tretjakow-Galerie feierte Vitali Erfolge - ein Profil, das übrigens gut zum Programm der Bundeskunsthalle passt.

Auch Vitalis Quote in Frankfurt war beachtlich: 400 000 Besucher lockte er jährlich in die Schirn. Als der umtriebige Schweizer 1994 ans Haus der Kunst in München wechselte, genoss er bereits einen in Museumskreisen damals eher seltenen Ruf: als Macher publikumswirksamer Ausstellungen mit knallharten Managerqualitäten, die "Süddeutsche Zeitung" feierte ihn gar als "Maestro aller Kunstmanager".

Was Vitali dann in München ablieferte, war in in der Tat meisterlich: Die großartigen Panoramen "Elan vital" oder "Der Geist der Romantik in der deutschen Kunst", die Sammlung der Farnese oder die Barnes Collection. Und doch verzichtete der bayerische Kultusminister Hans Zehetmair 2003 auf eine Vertragsverlängerung Vitalis, er wünschte sich einen progressiveren Chef.

Von "taktlos" bis "ruppig" reichten damals die öffentlichen Reaktionen. Vitali ging zu Beyeler - die Reihe exzellenter Ausstellungen setzte sich fort. In Riehen musste Vitali jetzt nicht extra kündigen, sein Vertrag läuft im Frühjahr 2008 aus. Es heißt, die Chemie zwischen Vitali und dem Prinzipal Ernst Beyeler habe nicht gestimmt.

Der Kunstmanager Samuel Keller (40), Chef der "Art Basel", wird neuer Direktor, "ein Mann, der noch nie eine Ausstellung gemacht hat", meint Vitali etwas bitter.

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