Oper Köln Countertenor Philippe Jaroussky singt Vincis "Artaserse"

Köln · Der Name klingt bekannter, als er ist: Leonardo Vinci. Anders als sein berühmter Landsmann und Beinahe-Namensvetter handelt es sich bei ihm um einen Komponisten, einen bedeutenden dazu. Vinci, der um 1690 in Strongoli zur Welt kam und 1730 - wahrscheinlich nach dem Genuss von vergifteter Schokolade - starb, ist vor allem als Opernkomponist hervorgetreten.

 Star seines Fachs: Der französische Countertenor Philippe Jaroussky.

Star seines Fachs: Der französische Countertenor Philippe Jaroussky.

Foto: Ribes

Am Ende seines kurzen Lebens befand er sich auf der Höhe seines Erfolges, gerade erst war seine Oper "Artaserse" vom Publikum am Teatro delle dame in Rom bejubelt worden.

In Köln kann man das letzte Werk des italienischen Komponisten im Dezember in der Oper am Dom erleben, als konzertantes Gastspiel des Alte-Musik-Ensembles Concerto Köln unter Leitung von Diego Fasolis. Interessant ist die originale Sängerbesetzung: Vinci fordert einen Tenor und fünf Kastraten.

Mithin eine reine Männerbesetzung, auch die in Artaserse durchaus zu findenden Frauenfiguren waren von diesem Besetzungsdiktat betroffen. Die strikte Vorgabe war allerdings nicht musikalisch oder dramaturgisch begründet, sondern eine Folge der sehr restriktiven Bestimmungen der Kirche in Rom, die keine Frauen auf der Bühne erlaubte. Üblicherweise werden im Nach-Kastraten-Zeitalter die entsprechenden Partien in den Barockopern von Frauen oder Countertenören gesungen.

Die Titelpartie singt Philippe Jaroussky, der zurzeit bekannteste Vertreter des Kopfstimmenfachs. "Ich kenne die Oper schon seit zehn Jahren", verrät der Franzose im Gespräch. "In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war ,Artaserse' die bekannteste Oper überhaupt", sagt er. "Möglicherweise hat auch der mysteriöse Tod des Komponisten hier einiges zur Legendenbildung beigetragen." Die Qualität der Musik steht für Jaroussky jedoch gänzlich außer Zweifel.

Man lerne durch sie den neapolitanischen Stil besser kennen, der auf spätere Komponisten wie Mozart einen großen Einfluss ausgeübt habe. Man spürt im Gespräch, wie tief Jaroussky in die Materie eingedrungen ist. Er schwärmt von der engen Zusammenarbeit zwischen Vinci und Metastasio, dem bedeutendsten Libretto-Lieferanten des 18. Jahrhunderts, in dessen reichem Fundus sich selbst Mozart noch bediente.

"Das Besondere ist: Vinci und Metastasio haben gemeinsam an den Opern gearbeitet", sagt Jaroussky. Das habe zu einer sehr viel besseren Ökonomie im Verhältnis von Text- und Musikanteil geführt. "Metastasio hat später immer beklagt, dass die Komponisten seine Verse mit ihrer Musik überdecken würden." In jüngster Zeit ist die Musik Vincis wieder ein bisschen mehr an die Öffentlichkeit gelangt.

Cecilia Bartoli habe einiges von ihm gesungen, sagt Jaroussky. "Deshalb erschien uns jetzt genau der richtige Zeitpunkt, einmal eine ganz Oper einzustudieren. Es war die Idee meines Kollegen Max Emanuel Cencic." Die Oper ist mittlerweile als Box mit drei CDs und einem sehr informativen Booklet beim Label Virgin erschienen, jetzt folgt die Tour mit Stationen in Wien, Lausanne und Köln. Vor gar nicht allzu langer Zeit wäre so eine Produktion kaum möglich gewesen. Countertenöre gibt es zwar seit einigen Jahrzehnten, doch hat es gedauert, bis sie aus der Exoten-Ecke hervortreten konnten.

Die Stimmen seien mittlerweile so abwechslungsreich wie in den traditionellen Fächern, findet Jaroussky. Und nimmt einen anderen Sänger der Aufnahme als Beispiel: "Franco Fagioli hat eine perfekte Mezzosopran-Technik. Viele Sängerinnen werden ganz neidisch, wenn sie ihn hören", sagt er. Nach der Tour wird es erst einmal ein leise werden um Philippe Jaroussky.

Da will er sich eine kleine Auszeit gönnen. Acht Monate nicht singen, sondern reisen. Nach Asien, Südamerika, rund um die Welt eben. "Ich habe in den vergangenen zehn Jahren eine sehr intensive Zeit erlebt. Ich bin jetzt 35 Jahre alt, das ist ein guter Zeitpunkt für ein Innehalten." Aber er verspricht auch: "I'll be back!" - zum Beispiel im Herbst in der Philharmonie.

Leonardo Vinci: Artaserse. Premiere am 17. Dezember, 19.30 Uhr, in der Oper am Dom.

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