Da kann man sein buntes Wunder erleben

Das Arithmeum in Bonn präsentiert sich unter dem Motto "Ästhetik des Chipdesigns" auf allen 40 Etagen des Post-Towers - das Publikum darf nur bis zur kleinen Foyer-Ausstellung

  Kooperation:  Bernhard Korte und Ina Prinz vom Arithmeum, Post-Vostandsmitglied Peter Kruse (von links) .

Kooperation: Bernhard Korte und Ina Prinz vom Arithmeum, Post-Vostandsmitglied Peter Kruse (von links) .

Foto: Fischer

Bonn. Klaus könnte einen wunderbaren Blick haben - auf den Rhein und das Siebengebirge oder von weit oben herab auf die Kegel der Bundeskunsthalle. Allein, er hängt an der Wand, eine 1,5 mal 1,5 Meter große, farblich bearbeitete Darstellung eines Computerchips von IBM.

Nicht weit weg von Klaus residiert dessen Pate, Postchef Klaus Zumwinkel, im 40. Stock des Jahn-Towers. Auch Vorstandsmitglied Edgar Ernst hat seinen Chip bekommen, eine petrolfarbene Fläche mit lila Akzenten und Millionen roter, gelber und oranger Lichtpunkte. "Endlich Farbe" und "So schön kann Kunst sein", waren die ersten Reaktionen der Post-Mitarbeiter, deren Stimmung an grauen Tagen im grauen Jahn-Tower leicht in den Keller geht. Farbiges hatte der strenge Stararchitekt eigentlich verboten.

Die gelbe Post und das Arithmeum haben sich darüber hinweggesetzt. In einem Kooperationsprojekt präsentiert sich das Museum mit buntem Chipdesign aus dem Forschungsinstitut für Diskrete Mathemathik der Universität Bonn. Auf 40 Etagen sind jeweils zwei Chip-Paare zu sehen - allerdings nur für die 2500 Post-Mitarbeiter -, mehrere Dutzend Arbeiten sind immerhin im Foyer frei zugänglich. Ab Oktober wird auch die Post-Lounge mit der "Ästhetik des Chipdesigns" vom Arithmeum bespielt, während an der Lennéstraße die "Mathemathik des Chipdesigns" zu sehen ist.

Bei den Designbildern handelt es sich um die Darstellung von Strukturen, die mit dem bloßen Auge nicht wahrnehmbar sind: Auf über zwei Quadratmetern ist das Innenleben von gerade einen Quadratzentimeter großen Siliziumchips zu sehen, wie es von den im Institut für Diskrete Mathematik entwickelten Alogorithmen, den "Bonn-Tools", designt wurde. Zur besseren Darstellung hat Arithmeum-Chefin Ina Prinz die "Placements", wo die Transistoren sitzen, und das "Routing", die Verdrahtung, farblich bearbeitet.

Insgesamt 300 Chips und Mikroprozessoren sind inzwischen mit den "Bonn-Tools" entworfen worden. Das Institut von Bernhard Korte ist damit Marktführer. Stars aus der Bonner Chip-Schmiede sind "Peter", das Herzstück des Computers "Deep Blue", der Kasparow im Schach besiegte, oder der Systemcontroller U3, der den neuen Apple-Computer G5 auf Touren bringt. Aber auch "Wolfgang 2", Clements Chip, und "Peer", in besseren Tagen Steinbrück gewidmet, können sich ebenso als bunte Chip-Kunst sehen lassen wie der winzige Prozessor dem der zuständige Mathematiker, ein Opernfan, den Namen "Carmen" gab.

Ein Höhepunkt der Ausstellung ist im Foyer die auf fünf Schritte ausgelegte Vergrößerung eines Chip-Ausschnittes von der 50 000-fachen Vergrößerung bis zur 50-Milliarden-fachen. Technikfreunde können anhand anderer Bilder die rasante Entwicklung etwa von "Zora", dem ersten Chip, der 1986 mit dem "Bonn-Tool" hergestellt wurde, bis zur Gegenwart verfolgen. Mit einer Million Transistoren und 15 Metern Verdrahtungslänge war die Struktur von "Zora" noch übersichtlich, das Auge kann sie im Designbild erfassen. 100 Millionen Transistoren und 1,5 Kilometer Draht haben heute auf einem Quadratzentimeter Silizium Platz.

Natürlich fühlt man sich bei den Rechteckformen, geometrischen Bahnen und gitterhaften Strukturen entfernt an die Kunst der Konstruktivisten erinnert, die ja das Arithmeum auch sammelt und die vereinzelt in einigen Vorstandszimmern der Post als Leihgabe hängt. Doch mit Kunst hat der Chip nichts zu tun, legt man den Maßstab der Moderne an. Sieht man das Ganze mit den Augen der Renaissance, wird man Zeuge eines faszinierenden Wunders aus Menschenhand.

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