Führerprinzip im Geburtshaus Das Beethoven-Haus im Dritten Reich

Bonn · Das Beethoven-Haus dokumentiert in einer Sonderausstellung die bis vor Kurzem noch unerforschte Geschichte des Hauses in der Zeit des Nationalsozialismus.

Beethoven-Büste von Karl Voss mit einem Kranz des Sanitätssturms der 58. SS-Standarte in Beethovens Geburtszimmer, Fotografie von Max Ehlert, 1936.

Beethoven-Büste von Karl Voss mit einem Kranz des Sanitätssturms der 58. SS-Standarte in Beethovens Geburtszimmer, Fotografie von Max Ehlert, 1936.

Foto: Beethoven Haus Bonn

In der vorerst letzten Sonderausstellung vor der großen Umgestaltung des Museums wird die Rolle des Beethoven-Hauses während der NS-Zeit beleuchtet. Laut Malte Boecker, Direktor des Beethoven-Hauses, war diese Ausstellung längst überfällig.

Es ist ein heikles Thema, dessen Behandlung für Boecker seit seinem Amtsantritt Mitte 2012 ganz oben auf der Prioritätenliste stand. „Es wurde relativ schnell deutlich, dass es zwischen 1933 und 1945 vor allem durch personelle Kontinuitäten in der Nachkriegszeit einen blinden Fleck gibt“, so Boecker. Die ganze Arbeit, die bis dahin in die Erforschung dieser dunklen Jahre geflossen war, äußerte sich in der wissenschaftlichen Literatur in nicht mehr als zwei lakonisch anmutenden Sätzen. Mehr nicht.

Boecker indes zögerte nicht lange. „Es war für meine Vorstandskollegen und mich undenkbar, dass wir 2014 ein 125-jähriges Vereinsjubiläum, geschweige denn 2020 Beethovens 250. Jahrestag begehen, ohne zeitnah eine kritische Institutionengeschichte vorzulegen.“

Als erstes Ergebnis wurde im vergangenen Jahr bereits eine Publikation vorgestellt, für die der Historiker Patrick Bormann in dreijähriger Arbeit interne und externe Quellen zusammengetragen und ausgewertet hat. „Das Bonner Beethoven-Haus 1933–1945. Eine Kulturinstitution im Dritten Reich“ lautet der Titel dieser 367 Seiten starken Studie, die als Band 27 im Rahmen der Reihe IV der Schriften zur Beethoven-Forschung erschienen ist.

Die Ausstellung im Beethoven-Haus, die am Dienstagabend im Rahmen eines kleinen Festaktes eröffnet wurde, ist nun der zweite Teil dieser Aufarbeitung, die das sensible Thema einem breiteren Publikum in verständlicher Art und Weise näherbringen soll. Die Grundlagen hierfür hat im Wesentlichen die Historikerin Maria Rößner-Richards gelegt, die überwiegend ehrenamtlich im Beethoven-Haus arbeitet und mit Projektmitteln des Landschaftsverbands Rheinland das umfangreiche Archiv des Vereins tiefenerschlossen und verzeichnet hat.

Als externer Forschungsleiter dieses Projekts konnte zudem mit Prof. Joachim Scholtyseck, Leiter des Instituts für Geschichtswissenschaft an der Abteilung für Neuzeit der Uni Bonn, ein anerkannter Experte gewonnen werden, der „nicht Gefahr lief, der eigenen Erklärungslogik und Selbstdeutung des Vereins zu erliegen“, so Boecker in seiner Rede.

Die Forschungen förderten wichtige Erkenntnisse zu Tage, etwa, dass damals kaum die Handlungsspielräume genutzt wurden, die sich selbst in totalitären Regimen mitunter ergeben, sondern dass sich im Gegenteil der damalige Direktor des Beethoven-Hauses und gleichzeitige Vereinsvorsitzende und Ordinarius für Musikwissenschaft, Ludwig Schiedermair, in einer Art vorauseilenden Gehorsams dem Regime andiente.

So führte er etwa das ihm weitgehende Autonomie verschaffende Führerprinzip ein, drängte die jüdischen Vereinsmitglieder aus dem Verein und ließ den Arier-Paragraphen in der Vereinssatzung festschreiben. Boecker spricht in diesem Zusammenhang von einer „Selbstgleichschaltung“.

Sicherung der wertvollen Bestände

Thematisiert werden in der Ausstellung außerdem die Kontakte des Beethoven-Hauses zu offiziellen Stellen des Dritten Reiches, gelungene und gescheiterte Versuche der Vernetzung und Vereinnahmung, das Verhältnis zur Stadt Bonn sowie die ideologische Prägung der Beethoven-Forschung während des Nationalsozialismus.

Auch die Sicherung der wertvollen Bestände, für die seinerzeit Theodor Wildeman verantwortlich war, wird thematisiert. Wildeman war es auch, der nach dem Krieg Vorsitzender des Vereins des Beethoven-Hauses wurde und für eine Neuordnung sorgte.

Eine bezeichnende Geschichte dieser Zeit ist etwa die Entfernung der Büste des Geigers Joseph Joachim, die von Schiedermair initiiert wurde. Hiervon hatte der Dirigent Wilhelm Furtwängler in einem in der Ausstellung zu lesenden Brief eigens abgeraten. Schiedermair setzte sich jedoch durch.

Berührende Zeitzeugnisse in der Ausstellung sind etwa Kündigungsschreiben jüdischer Mitglieder, die unter teils heftigem Protest und mit merklicher Trauer aus dem Verein austreten. Bedrückend sind neben Tagebuchaufzeichnungen des Hausmeisters auch die Dokumente, die zeigen, wie selbst Angestellte des Beethoven-Hauses seitens der Hausleitung nicht vor stattlichen Repressalien oder Verfolgung geschützt, sondern dieser im Gegenteil noch ausgeliefert wurden.

Die Bemühungen des Beethoven-Hauses haben jedenfalls auch in der musikwissenschaftlichen Fachwelt Vorbildfunktion, wie Boecker berichtet. Während die wissenschaftliche Aufarbeitung der Forschungsgeschichte dieser Zeit längst in vollem Gange ist, gibt es bei der institutionellen Geschichte mancher Forschungseinrichtungen durchaus noch blinde Flecken.

Bis 7. Oktober. Öffnungszeiten: täglich 10 bis 18 Uhr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCamp Neue Musik zwischen Wohnwagen
Aus dem Ressort