Henning Schmidtke im Haus der Springmaus in Bonn-Endenich Das Ego und ich

Bonn · Das mit dem Egoismus ist so eine Sache. Dringend an der Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, findet Henning Schmidtke. Gesagt, getan im Haus der Springmaus. Und Stimmen imitieren kann er auch.

 Henning Schmidtke im Haus der Springmaus

Henning Schmidtke im Haus der Springmaus

Foto: Thomas Kölsch

Auf Egomanen können viele Menschen problemlos verzichten. Auf amerikanische (Trump) ebenso sehr wie auf russische (Putin). Dabei sind wir ja quasi selber schuld, dass diese Menschen inzwischen so mächtig und so gefährlich geworden sind, wir und der Kapitalismus. „Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht“, so lautet die Maxime dieser Wirtschaftsform. Doch das müsse gar nicht so sein, sagt Henning Schmidtke im Haus der Springmaus. Denn: „Wenn jeder an seinen Nächsten denkt, ist auch an alle gedacht.“ Aus liberal wird sozial, und wenn man dann noch ein paar Ex-Präsidenten und Diktatoren sowie einige Konzernbosse auf den Mond oder besser noch gleich zum Mars schießen würde, hätte man gleich eine viel bessere Welt geschaffen. Die Frage ist nur, ob Schmidtke, der bekennende Egomane unter den deutschen Kabarettisten, auch in die Rakete steigen müsste – oder ob er mit seinem Programm „Egoland“ Schule macht.

Eine Netter, der unbequem werden kann

Eigentlich ist Schmidtke ein ganz Netter, aber auch jemand, der unbequem werden kann, wenn die Situation es erfordert. Eine klare Haltung und sehr viel Recherche zeichnen das Programm des 52-Jährigen aus, auch wenn er beides mitunter hinter Kabarett-Klischees versteckt. Ja, als Stimmimitator ist er ganz passabel, aber Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer und Karl Lauterbach, die kann nun wirklich jeder. Davon abgesehen ist Schmidtke als Komponist selbst so versiert, dass er die Vorbilder nur braucht, um sie bei den zahlreichen Castingshows schon in der ersten Runde rausfliegen zu lassen, weil sie für den massentauglichen Einheitsbrei schlichtweg zu viel Individualität besitzen – also Grönemeyer und Lindenberg, nicht Lauterbach.

Der Kult des Egoismus vor dem Altar Mammons

Wenn Schmidtke allerdings zu seinem Hauptthema kommt, blüht er auf. Genüsslich offenbart er den Kult des Egoismus vor dem Altar Mammons, setzt dem liberalen Grundgedanken von Adam Smith (dessen Ausführungen zur Sympathie für die Mitmenschen er allerdings unterschlägt) kurzerhand Richard Dawkins gegenüber und fährt dann eben selbst die Ellenbogen aus. „Ist das nicht geil, geil, geil“, singt er im feschen Country-Style und bezieht das natürlich auf sich. „Träume nicht dein Leben, träume lieber meins“: Die Figur des arroganten Narzissten, die Schmidtke in diesen Minuten zum Leben erweckt, ist die beste Parodie des Abends, gnadenlos überzeichnet und trotzdem nicht so weit von der Wahrheit entfernt. Ergänzt durch manche philosophische Überlegung in Bezug auf das Ego, das so widerlich erscheint und doch zugleich der Grund ist, warum Menschen anfangen Klavier zu spielen oder zu träumen, schafft Schmidtke einen durchaus unterhaltsamen und mitunter recht lehrreichen Abend.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Das Ende einer jungen Tänzerin
„Abgesang auf Lucia Joyce“ im Ballsaal Das Ende einer jungen Tänzerin
Zum Thema
Aus dem Ressort
Marie Heeschen

Foto: Annika Nagel
Vier Frauen machen Musik der Stille
Bonner Opernsängerin Marie Heeschen mit neuer MusikVier Frauen machen Musik der Stille
Klaren Blickes in den Tod
Premiere: „Hannelore Kohl – ein Leben im Schatten“ im Kleinen Theater in Bonn Klaren Blickes in den Tod