Euro Theater Central Das eindringliche Sprachkunstwerk "Angst" von Stefan Zweig feierte Premiere

Es ist angerichtet im Hause Wagner. Zwischen Suppe und Dessert verliert Frau Irene den Boden unter den Füßen in Stefan Hermanns Inszenierung von Stefan Zweigs 1920 erschienener Novelle "Angst". Premiere feierte die neue Produktion im Euro Theater Central exakt am siebzigsten Todestag des 1881 in Wien geborenen Autors, der sich am 23. Februar 1942 im brasilianischen Exil das Leben nahm.

Herrmann, der am Euro Theater bereits sehr erfolgreich Regie führte bei Kafkas "Verwandlung", bewahrt in seiner Bühnenfassung den nervös eleganten Erzählstil des poetischen Seelenerforschers. Zweigs von diskreter Ironie geprägtes Idiom, mit dem er eine selbstzufriedene bürgerliche Gesellschaft beschrieb, die längst an der Wirklichkeit vorbeilebte, klingt hier erstaunlich zeitlos.

Das liegt vor allem an der famosen Schauspielerin Nadja Soukup, die die verwirrte Irene verkörpert, aber gleichzeitig die Position des narrativen Beobachters einnimmt, der analytisch distanziert ihre psychischen Verstrickungen untersucht.

Eine "Wohltemperiertheit des Glückes, die aufreizender ist als das Unglück" hat die junge Gattin eines begüterten, erfolgreichen Juristen und Mutter zweier perfekt geratener Kinder in die Arme eines aufstrebenden Pianisten getrieben. Ein harmloser Seitensprung aus ihrer wunsch- und widerstandslosen, "windstillen" Existenz ins Bohème-Milieu.

Doch die ehemalige Geliebte des Künstlers, eine "niedere Person", hat Frau Irenes heimliche Verfehlung entdeckt und nutzt ihr Wissen für immer höhere Geldforderungen. Ohnmächtige Angst schüttelt die arme Schuldige.

Am langen Esstisch zwischen den Zuschauerreihen (Ausstattung: Anne Brüssel) herrscht verzweifelte Hochspannung. Völlig verkrampft sitzt die Frau im braven Pepita-Kleidchen am einen Ende und löffelt mit dem Ehemann am anderen Ende des Tisches Tomatensuppe, bevor sie ihre Stöckelschuhe auszieht und schließlich hinüber kriecht zu dem freundlichen Strafverteidiger.

Mark Zak, nach mehr als zwanzig Jahren ans Euro Theater zurückgekehrt, spielt mit feiner Haltung die dramatisch undankbare Rolle des fürsorglich Angetrauten und Stichwortgebers der weiblichen Hilflosigkeit. Irene wird das Tischtuch mit herzblutrotem Wein tränken und zum tödlichen Morphiumfläschchen greifen, bevor ihr kostbarer Verlobungsring wieder an seinem angestammten Platz landet.

Ihr verständnisvoller Gatte hat klammheimlich Regie geführt bei ihrer psychischen Verstörung und ihren Freikaufsanstrengungen. Er hat sie zu ihrem unsäglich sicheren Glück buchstäblich über den Tisch gezogen. Ein Triumph des Patriarchats über die ungerichtete Lebensleidenschaft einer Frau.

Nächste Aufführungen: 25.2. um 20 Uhr und am 26.2. um 18 Uhr; weitere Vorstellungen: 7./8.3. um 20 Uhr. Karten unter Tel. 0228/652951 oder www.eurotheater.de

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