Das Ende der Radiozeit bei Deutscher Welle

Die Deutsche Welle setzt von nun an mehr auf Fernsehen und Internet. Produziert werde nur noch eine Stunde tägliches Radioprogramm, das in einer Endlosschleife wiederholt und gesendet werde und über Internet abrufbar sei. Angst um Arbeitsplätze am Standort Bonn.

Das Ende der Radiozeit bei Deutscher Welle
Foto: Kliemann

Bonn. Begleitet von Protesten Berliner Mitarbeiter der Deutschen Welle (DW) hat der Rundfunkrat grünes Licht für die modifizierte "Aufgabenplanung 2010-2013" gegeben. Dahinter steckt eine umfassende Umstrukturierung des deutschen Auslandssenders mit Hauptsitz im Bonn.

DW-Intendant Erik Bettermann kommt mit der Reform des Hauses einen großen Schritt weiter. Anfang April wird über sein Konzept im Bundestag debattiert, die entscheidenden Hürden hat die größte Reform der DW aber bereits genommen: Das Bundeskabinett und der Bundestagsausschuss für Kultur und Medien haben unlängst ihr Placet gegeben.

Kernpunkte sind die Beschränkung der "linearen Radio-Ausstrahlung" über Kurzwelle auf nur wenige Teile Afrikas zugunsten des Ausbaus von TV und Internet sowie die Konzentration auf Kernregionen und eine stärkere Zusammenarbeit mit ARD, ZDF und Deutschlandradio. Laut "Deutschlandradio Wissen" wird die DW das muttersprachliche Angebot stoppen.

Produziert werde nur noch eine Stunde tägliches Radioprogramm, das in einer Endlosschleife wiederholt und gesendet werde und über Internet abrufbar sei. Der deutsche Auslandssender setze in Zukunft auf Satelliten- und Onlineverbindungen. Insbesondere das Ende der Radiozeit sorgt in der Welle für Aufregung, gerade am radiolastigen Standort Bonn, wo das Gros der von Bettermann angekündigten Stellenstreichungen "im dreistelligen Bereich" befürchtet wird. Im Sender geht die Angst um.

Radio und Deutsche Welle waren und sind seit Gründung des Auslandssenders Synonyme, jetzt bricht eine neue Ära an - mit Internet und TV als Leitmedien. "Es gibt aus unserer Sicht keine Alternativen", sagt der Pressesprecher Johannes Hoffmann. Der Prozess ist nicht aufzuhalten, so gut einzelne Gegenargumente auch sind. Denn im Internet und sozialen Netzwerken das allein Seligmachende zu sehen, kann auch ein Trugschluss sein:

Zu Recht lobte Bettermann unlängst soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter als Motoren für die Demokratiebewegungen in Nordafrika, im Nahen und Fernen Osten. Doch fast gleichzeitig kritisierte er vor zehn Tagen anlässlich des "Welttages gegen Internetzensur" die Restriktionen gegen Blogger und Online-Journalisten in manchen Teilen der Welt. Es gibt zudem Regionen der Erde, die vom Internet abgeschnitten sind, Menschen, die keinen Zugang zum Netz haben oder es sich nicht leisten können und per Kurzwelle via Transistorradio erreichbar wären.

Mitte Februar häuften sich zudem Störungen offensichtlich durch den Iran: TV- und Radioprogramme der BBC und DW, die über den Satelliten Hotbird 8 ausgestrahlt wurden, wurden "massiv gejammt", wie der ORF berichtete. Ein Jahr zuvor hatte die DW die letzte große "Jamming"-Attacke erlebt, so heißen die militärischen Störmanöver, lokalisiert im Iran.

Der Deutsche Journalistenverband hat vor einer "Aushöhlung journalistischer Programme" und der "schleichenden Demontage des Auslandssenders" gewarnt.

Im Personalrat der Bonner DW-Mitarbeiter befürchtet man, dass Bonn zum Verlierer des Umbaus werde. In einer Stellungnahme geht der Personalrat auf das gerade erst von Bettermann ins Spiel gebrachte 26-Punkte-Papier "DW-Strukturreform" ein, das die bei einer Tagung in Maria Laach im November vergangenen Jahres (der GA berichtete) festgelegte Grundausrichtung des Umbaus ergänzt.

Bettermann will sich beim DW-Fernsehen (Standort Berlin) auf die Sprachen Deutsch, Arabisch, Englisch und Spanisch konzentrieren, wobei die drei Fremdsprachen lediglich Übersetzungen aus dem Deutschen sind und keine genuinen journalistischen Programme mehr. Dies und die Tatsache, dass die Verantwortung für die Radio/Online-Sprachen Arabisch, Englisch und Spanisch von Bonn nach Berlin verlegt werden, kritisiert der Personalrat: Man bangt um das journalistische Profil des Auslandssenders.

Auch der insbesondere vom Beauftragten für Kultur und Medien, Bernd Neumann, favorisierte stärkere Zugriff auf ARD und ZDF dünnt das eigenständige journalistische Angebot der Welle aus. Der Bonner Personalrat, der ausdrücklich den Multimedia-Prozess der Welle mitträgt, fordert zur Absicherung den Aufbau von TV- und Videokapazitäten im Mutterhaus. Das aber kostet Geld.

Deutsche Welle auf Sparkurs - der lange Weg zum ZielHintergrund der Reform der Deutschen Welle (DW) ist neben einer Reaktion auf die weltweit gewandelte Mediennutzung die seit über zehn Jahren massive Unterfinanzierung des Auslandssenders durch den Bund. Laut Valentin Schmidt, Vorsitzender des DW-Rundfunkrats, beträgt die Deckungslücke für 2011 bereits "mindestens zehn Millionen Euro", 2012 sei mit Kürzungen des Etats zu rechnen, der gegenwärtig bei 273 Millionen Euro liegt. Für 2013 fehlen mindestens 18 Millionen Euro, für 2014 rund 23 Millionen. Vor einem Jahr legte die DW eine Aufgabenplanung für 2010 bis 2013 vor, die von der Bundesregierung zunächst ignoriert und durch das Sparpaket des Bundes obsolet wurde. Im November entstand eine modifizierte Aufgabenplanung. Im Juni 2011 wird sie voraussichtlich alle Gremien durchlaufen haben.

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