Don Quinobi mit Laserschwert Das erwartet Zuschauer bei "Don Quijote" im Kölner Schauspiel

KÖLN · Simon Solberg schickt Cervantes' Helden im Kölner Schauspiel in die Moderne. Ideenmangel ist hier nie das Problem, eher droht dieses Schnappatmungstheater am Gegenteil zu ersticken.

 Zwei gezeichnete Helden: Sancho Panza (Nikolaus Benda, links) und Don Quijote (Stefko Hanushevsky) im Depot 1.

Zwei gezeichnete Helden: Sancho Panza (Nikolaus Benda, links) und Don Quijote (Stefko Hanushevsky) im Depot 1.

Foto: David Baltzer

Der Nadelstich sitzt: Wenn Don Quijote seinem Knappenkandidaten Sancho Panza mal kurz das Stellenprofil umreißt, spricht er von „ritterlichem Mittelmaß in garantiert angstfreier Atmosphäre“. Letztere hatte Kölns Schauspielchef Stefan Bachmann ja bei Amtsantritt verheißen und – folgt man den aktuellen Mobbingvorwürfen – nicht so ganz hinbekommen. Das Publikum im Depot 1 lacht nicht nur da. Schon die angedrohte Gesamtlesung von Miguel de Cervantes' „Don Quijote“ kitzelt das Zwerchfell, bevor Simon Solberg – ab der nächsten Spielzeit Hausregisseur des Bonner Theaters – hart aufs Gaspedal tritt.

Das 17. Jahrhundert war vorgestern, also wird der Titelheld nicht durch alte Ritterbücher, sondern durch TV-Serien und DVDs „verdorben“, die ihm haufenweise aus dem Bademantel purzeln oder über einen gigantischen Röhrenfernseher flimmern. Solberg dreht die Pat-und-Patachon-Mechanik des Stoffs auch optisch um und gibt dem kleinen Quijote (Stefko Hanushevsky) den großen Panza (Nikolaus Benda) als Diener. Als Schlachtrösser werden Auto- beziehungsweise Traktorreifen gesattelt, und die Bühnenlandschaft (Solberg und Franziska Harm) fasziniert als genial geschichtete Zivilisationsschrottpyramide samt eingeparktem Wohnwagen.

Wer Solberg engagiert, will zeitgenössisch aufgepepptes Event-Theater, und so wird überschaubarer Originaltext mit visuellen wie musikalischen Anspielungen von „Game of Thrones“ bis zu „Winnetou“ verschnitten. Den Bildungsbürger mag's grausen, Generation Youtube frohlockt. Klar, dass auch Quijotes fantasieverzerrte Abenteuer mit Actiondrive serviert werden: der Windmühlenkampf als zirzensisch-rasante Flugshow (untermalt von der Band Rage Against The Machine) oder das Gefecht mit dem „Spiegelritter“ als Ninja-Duell in Videospiel-Ästhetik.

Ideenmangel ist hier nie das Problem, eher droht dieses Schnappatmungstheater am Gegenteil zu ersticken. Da schaut „Der Pate“ mal eben in einem Filmclip samt Maggi-Ravioli vorbei, und wenn Haushälterin (Annika Schilling), Pfarrer (Benjamin Höppner) und Barbier (Justus Maier) ihren abtrünnigen Dorfkumpel Quijote wieder einfangen wollen, mutieren sie zu „Star Wars“-Figuren: Prinzessin Leia, Zottelwesen Chewbacca sowie der liebenswerte Flötenkesselroboter R2D2. Und der Held heißt natürlich Don Quinobi, der das Gespenst der Langeweile notfalls eben mit dem Laserschwert zerschmettert.

Cervantes' Geschichte in moderne Heldenhorizonte zu spiegeln, könnte durchaus interessant sein, bleibt hier jedoch zwischen Nebelwerfer und Konfettikanone eher reizgewittriger Zitatenreigen. Zumal der Abend in seiner rastlosen Jagd nach Gags auch manchen Kalauer der traurigen Gestalt erlegt.

Wer sich freilich vom Energiestrom der Inszenierung mitreißen lässt, dürfte dieses extrem kurzweilige Erlebnis kaum bereuen. Und während Schilling, Höppner und Maier in raschen Kostümwechseln glänzen, retten die Hauptdarsteller einige existenzielle Fragen des Romans: Stefko Hanushevskys Ritter mag sich seine riesenhaften Feinde und die angebetete Dulcinea noch so realitätsblind einbilden – in seinem heiligen Weltenretterernst und seiner Liebesemphase ist er der integerste Mensch von allen. Brillant, wie dieser Schauspieler beim Seiltanz zwischen Wahn und Wirklichkeit auch die Möglichkeit eröffnet, dass der Träumer vielleicht als einziger den wahren Charakter unseres Lebens begreift.

Und Nikolaus Bendas Knappe mag lange über mangelndes Essen klagen. Dann aber wird er subtil von Quijotes Mission infiziert – bis beide auf wirklichen Pferden gegen die Technikriesen von heute zu Felde ziehen. Lebhafter Beifall für alle Beteiligten.

Weitere Termine:10. Juni, 16 Uhr; 12., 14. und 16. Juni, je 19.30 Uhr. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort