Theater Die Pathologie Das Geheimnis der alten Dame

Bonn · Beifall für die Premiere von „Das Fräulein von Scuderi“ im Theater Die Pathologie

 Martin-Maria Vogel als Fräulein Scuderi und Michael Policnik als maskierter Erzähler mit Akkordeon.

Martin-Maria Vogel als Fräulein Scuderi und Michael Policnik als maskierter Erzähler mit Akkordeon.

Foto: TheaterPathologie

Paris um 1680: Gleich zwei Mordserien beunruhigen die Stadt. Bei der einen ist ein neuartiges Gift im Spiel, das keine Spuren hinterlässt. Bei der anderen trifft es wohlhabende Herren auf dem nächtlichen Weg zu amourösen Abenteuern. Ein sauberer Stich ins Herz, nur der kostbare Schmuck, den sie ihren Angebeteten verehren wollten, bleibt unauffindbar. König Ludwig XIV. hat eine strenge Kommission eingesetzt, um die Räuberbande dingfest zu machen. Wobei auch etliche Unschuldige hingerichtet werden. Aber da gibt es noch die angesehene Hofdichterin Madeleine de Scudéry, die mit ihrem eleganten Bonmot „Un amant qui craint les voleurs, n’est point digne d’amour“ (Ein Liebhaber, der Diebe fürchtet, ist der Liebe nicht würdig) die galante Seite des Fürsten anspricht.

Der Dichter E.T.A. Hoffmann hat in seiner 1819 vollendeten berühmten Erzählung „Das Fräulein von Scuderi“ der französischen Kollegin ein Denkmal gesetzt. Im Bonner Südstadt-Kellertheater „Die Pathologie“ präsentiert dessen Intendantin Maren Pfeiffer nun die erste deutsche Kriminalnovelle. Kondensiert auf 90 spannende Minuten (inklusive Pause) in einer Mischung aus szenischer Lesung und dramatischen Momenten. Hoffmanns romantisch-ironischer Erzählton bestimmt die Inszenierung, die die historische Situation kurz Revue passieren lässt, bevor ein höchst verdächtiges Kästchen auf dem Schreibtisch der alten Dame landet. Pardon: des 73-jährigen Fräuleins, denn die Verfasserin heroischer Romane und geistreicher Verse legt großen Wert auf ihren untadeligen Ruf.

Martin-Maria Vogel spielt mit weißer Perücke und witzig angedeutetem Barockkostüm das erfahrene Salonkulturgeschöpf. Preziös, aber nicht lächerlich wie in Molières bekannter Komödie. Ein winziges Lächeln huscht über sein weißgepudertes Gesicht, wenn wieder mal das ehrwürdige Alter genannt wird, das die Scuderi über alle geschlechtlichen Versuchungen erhebt. Vogel vermeidet geschickt alles Tuntige und läuft als feinsinnige Aufklärerin mit detektivischem Gespür zu Hochform auf.

Maren Pfeiffer gibt gleichermaßen virtuos des Fräuleins tapfere Dienerin Martinière wie die königliche Maitresse Maintenon. Michael Policnik liefert am Akkordeon den melancholischen Sound zur Mörderjagd und überzeugt als robuster Hausgeist Baptiste oder als jugendlicher Heißsporn Olivier ebenso wie als wahnsinniger Goldschmied Cardillac. Die Tragödie dieses Künstlers ist hier eher ein Nebenschauplatz. Die sarkastische Mademoiselle, gedanklich geschult bei Voltaire, hat nämlich ein rührendes und rettendes Geheimnis. Ein Sonderlob für das Bühnenlicht verdient dabei Marek Maliszewski.

Die Männer/Frauenversteherin Scuderi, von Zeitgenossen als „neue Sappho“ gepriesen, schaffte es zwar nicht auf einen Sitz in der Académie Française, erreichte jedoch das biblische Alter von 93 Jahren. Das recht übersichtliche Premieren-Publikum in der Pathologie spendete der intelligenten Vorstellung anhaltenden Beifall.

Nächste Vorstellung heute (3.September) um 20 Uhr. Ticketreservierungen unter Tel. 0228-222358; Restkarten an der Abendkasse.

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