Von der Heydt-Museum Das Gesicht des Krieges - Ausstellung "Menschenschlachthaus"

BONN · Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum zeigt die herausragende Ausstellung "Menschenschlachthaus".

 Zwischen Kriegslust und Wahnsinn: Otto Dix malte sich 1914 als Soldat.

Zwischen Kriegslust und Wahnsinn: Otto Dix malte sich 1914 als Soldat.

Foto: Von der Heydt-Museum

Ja, sie sind mit Hurra und viele freiwillig in den Ersten Weltkrieg gezogen: Ernst Barlach verewigte den "Heiligen Krieg", schrieb nach Hause, "alles in allem bin ich glücklich, diese Zeit nicht verschlafen zu haben", und schwadronierte von der "Höhung des Volkes" durch den Waffengang; Franz Marc sah darin einen "heilsamen, wenn auch grausamen Durchgang zu neuen Zielen", verbrämte ihn als "selbstgewähltes Opfer", dem sich Europa unterworfen habe, "um ins Reine zu kommen"; "meine Kunst kriegt hier zu fressen", schrieb Max Beckmann von der Front. Euphorie, Lust am ästhetischen Urknall, Verlangen nach einer Katharsis - auch eine gewaltige Portion Naivität: Das ist die eine Seite der Geschichte über deutsche Künstler, die an die Front zogen.

Die andere, seltener dokumentierte Seite: Der Höhenflug dauerte für manche nur bis zum ersten Artilleriebeschuss im Schützengraben, bis zu den ersten grausam zerfetzten Kameraden. Schon bald nach Kriegsbeginn schrieb Oskar Schlemmer nach einer Verwundung: "Ich bin nicht mehr der Kerl, der sich im August freiwillig gemeldet hat. Körperlich nicht mehr, und ganz besonders in der Gesinnung." Zu dem Zeitpunkt war wahrscheinlich August Macke bereits gefallen. Beckmann und Ernst-Ludwig Kirchner landeten nach Nervenzusammenbrüchen an der Front im Sanatorium. Marc wurde wenige Tage nach den Zeilen - "Wir sind heraußen wohl genau wie ihr fiebrig gespannt auf den Ausgang dieses riesigen Kampfes" - im März 1916 tödlich getroffen.

Mit 350 Kunstwerken und Dokumenten sowie Brief-Auszügen an der Wand zeichnet das Wuppertaler Von der Heydt-Museum diese mitunter erschütternden Lebenswege nach. Der Titel der herausragenden Schau, "Menschenschlachthaus", eröffnet jenseits der Euphoriker und Geläuterten eine neue Ebene, die der Visionäre: "Menschenschlachthaus" nannte Wilhelm Lamszus seinen bereits 1912 erschienenen Roman mit dem Untertitel "Bilder vom kommenden Krieg", der in drastischer Weise die Mechanisierung des Krieges voraussah. "Es ist als ob der Tod die Sense auf das alte Eisen geworfen hätte, als ob er nun Maschinist geworden wäre (...) man ist vom Kleinbetrieb zum Großbetrieb übergegangen."

Es gab durchaus Mahner unter den Künstlern. Max Slevogt etwa oder besonders Ludwig Meidner, der Jahre vor Ausbruch des Krieges Bombardements und Brandkatastrophen malte und "apokalyptische Landschaften" schuf. Das fürchterliche an dieser Prophetie: Zwischen 1914 und 1918 malten Meidners Kollegen genau solche Impressionen - diesmal waren reale Erfahrungen vorausgegangen.

In zwölf straff gegliederten Kapiteln schlägt das Von der Heydt-Museum einen historisch fundierten Bogen von der Vorgeschichte bis zum Versailler Vertrag und der Revolution in Deutschland. Das erste Kapitel gibt die Richtung vor - das unterscheidet die Schau etwa von der großen Bonner Ausstellung "Avantgarden im Kampf" in der Bundeskunsthalle. Die Wuppertaler konzentrieren sich auf das Verhältnis Deutschland-Frankreich. Kapitel eins dokumentiert die enge Verzahnung zwischen den deutschen Expressionisten und französischen Kubisten und Fauves vor 1914. Man sieht Picasso und Macke, Marc und Vuillard. Unerklärlich, wie die einst Geistesverwandten ab August 1914 plötzlich zu Erbfeinden werden konnten.

Wenige Wochen nach Kriegsbeginn begann das deutsche Bombardement der nordfranzösischen Stadt Reims und der Kathedrale der Stadt, eines der Hauptwerke der Gotik und die Krönungskirche der französischen Könige. Wie die Hunnen wüteten die Deutschen, Wochen zuvor hatten sie die berühmte Bibliothek im belgischen Löwen niedergebrannt.

Der eindrücklichste Raum in der Schau zeigt zwölf originale Fragmente der Kathedrale inmitten von Bildern der Zerstörung. Die Stadt Reims ist Kooperationspartner der Ausstellung. Die endet nicht 1918. Sie zeigt, wie Künstler in Frankreich und Deutschland nach dem Grauen des Krieges weiter arbeiteten, wie sie das Trauma zu bewältigen versuchten oder einfach nur den Neustart probierten. Viele haben diese Erlebnisse noch lange mit sich herumgetragen: George Grosz' fantastische Mappe "Ecce homo" zeigt alle Facetten sozialer Verwerfungen nach dem Krieg. Otto Dix' 50-teiliger Zyklus "Der Krieg", 1924 entstanden und das geistige Zentrum dieser höchst komplexen und sehenswerten Schau, durchdringt diese "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" wie kein anderes Werk.

Von der Heydt-Museum, Wuppertal; 8. April bis 27. Juli. Di-So 11-18, Do bis 20 Uhr. Der hervorragende Katalog kostet 25 Euro.

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